33
5. Später wurde Narses von Justinians Nachfolger unverdient
zurückgesetzt. Aus Rache soll er die Langobarden nach
Italien gerufen haben. Dieselben hatten ursprünglich im Norden
gewohnt und saßen damals in Ungarn. Im Jahre 568 kamen sie
unter ihrem König Alboin und gründeten in Oberitalien das
langobardische Königreich mit der Hauptstadt Pavia. Von
ihnen erhielt Oberitalien den Namen ,,Lombardei". Mittel¬
italien dagegen blieb in der Gewalt der Oströmer.
Mit dem Znge der Langobarden schließt die Völker¬
wanderung.
VII.
Die Völkerwanderung hatte das weströmische Reich zertrümmert;
seine einzelnen Teile waren von germanischen Völkern erobert und in
Besitz genommen worden. Aber wie Pflanzen und Tiere, in andre
Himmelsstriche versetzt, sich allmählich verändern, so auch die Völker.
Das zeigte sich auch au den Germanen in ihren neuen Wohn¬
sitzen. Das heiße reKlima särbteHaut, Haare unb Augen
dunkler unb verweichlichte allmählich ihre ursprünglich
so kräftige Natur. Die noch rauhen Söhne bes Nordens
beugten sich unter die höhere Bildung und Kultur in den
eroberten Ländern. Die ausgebildetere römische oder
lateinische Sprache behielt die Oberhand, wenn sie auch
allerlei Elemente der deutschen in sich aufnahm. So ver¬
schmolzen allmählich Sieger und Besiegte zu einem Ganzen,
und ans dieser Mischnng der römischen und germanischen Be-
völkernng entstanden die sogenannten romanischen Nationen mit
ihren romanischen Sprachen: Italiener, Franzosen, Spanier
und Portugiesen.
Vor Beginn der Völkerwanderung hatten die Ger-
uran en den Osten Europas bis Don' und Wolga inne
gehabt. Die große Umwälzuug hatte sie nach Westen ge¬
trieben. Das bis dahin germanische Gebiet aber wurde
von nachrückenden slavischen Stämmen besetzt. So erhielt
Europa im Lause der Völkerwanderung die Gliederung, die es
noch heute zeigt: einen romanischen Südwesten, eine germanische
Mitte nnd einen slavischen Osten. — In gleicher Weise hatten
sich auch auf germanischem Boden die Wohnsitze der ein¬
zelnen Völker mannigfach verschoben. Im Nordwesten,
im untern und mittlere» Rheinthal faßen die Franken
und an der Nordfeeküste fowie auf den vorgelagerten
Jnfeln die Friesen; den eigentlichen Norden bewohnten
die Sachsen; in der Mitte — vom Main bis Harz und
Elbe — hatten die Thüringer fich niedergelassen; südlich
von den Franken — im oberen Rheinthal bis zum Lech —
saßen die Alemannen und jenseit des letztgenannten Flusses,
im südlichen Deutschland, die Bayern.
Kunze, Lehrstoff. 11. Cursus II. 3