Full text: Deutsche Geschichte mit entsprechender Berücksichtigung der allgemeinen (Kursus 2,2)

55 
Volk sich um die Leiche, denn — so klagte der Chronist — „nicht seit 
Karolus Tod ist ihm ein Herrscher vergleichbar, und nicht wieder erscheint 
ein Hirt dem Volke wie dieser." 
IV. 
1. Ottos Sohn und Nachfolger Otto II. regierte von 973 
— 983. 18 Jahre alt bestieg er den Thron; von kleinem aber kräftigem 
Körperbau und blühender Gesichtsfarbe, war er entschlossen zur That und 
rasch, oft wohl allzukühn in der Ausführung. Überall, wo er das 
Reich gefährdet sah, trat er mit Kraft und Entschieden¬ 
heit auf. 
Den französischen König Lothar gelüstete es nach der Wiedergewin¬ 
nung Lothringens. Plötzlich, mitten im Frieden, überfiel er den Kaiser, 
der ruhig in Aachen verweilte. Kaum entging Otto der Gefangenschaft, 
und Lothars Leute verzehrten noch fein eben verlassenes Mittagsmahl. 
Lothar ließ Aachen plündern und den Adler auf der Kaiserpfalz, der nach 
Osten blickte, nach Westen richten, zum Zeichen, daß Lothringen von nun 
ab zu Frankreich gehöre; nach drei Tagen zog er wieder von dannen. 
Aber noch vor der Grenze ereilte ihn der Herold des Kaisers und kün¬ 
digte ihm an, sein Herr werde den heimlichen und feigen Überfall durch 
einen offenen Kriegszug vergelten. Einmütig versprachen die deutschen 
Fürsten, wie Ein Mann zusammenzustehen, um die Deutschland angethane 
Schmach zu tilgen. Mit 60000 Mann zog Otto über die Grenze 
nach Frankreich bis vor die Thore von Paris. Und wenn er auch um 
der in seinem Heere ausgebrochenen Krankheit und um der rauhen Jahres¬ 
zeit willen von einer Belagerung absehen und sich begnügen mußte, von 
einem nahegelegenen Hügel herab ein gewaltiges Tedeum in die Stadt 
schallen zu lasten, so flößte er doch durch seinen Kriegszug dem Feinde 
einen heilsamen Schrecken ein, so daß Lothar zwei Jahre später allen An¬ 
sprüchen auf Lothringen entsagte. 
Als Otto Deutschland ruhig und gesichert wußte, zog er nach Italien. 
Als Gemahl einer griechischen Prinzessin faßte er den 
Plan, Unteritalien, das bis dahin teils den Griechen, teils 
den Saracenen gehörte, zu unterwerfen. Allein der Ver¬ 
such mißlang. In einer entscheidenden Schlacht siel er in einen 
Hinterhalt der Feinde; sein Heer wurde fast gänzlich vernichtet; mit Mühe 
entging er selbst der Gefangenschaft. Rasch verbreitete sich die Kunde 
seiner Niederlage; in Italien entstanden Unruhen; im Norden erhoben sich 
Slaven und Dänen. Solcher Wechsel des Glücks erschütterte Ottos Ge¬ 
sundheit; in Rom brach sie zusammen; dort ist er gestorben und 
begrab en. 
2. Er hinterließ die Krone seinem 3jährigen Sohne 
Otto III. (983—1002). Wohl wuchs dieser unter der treuen 
Leitung der Mutter und Großmutter zu einem Wunder an Gelehr¬ 
samkeit und Bildung heran; aber Deutschland hattewenig 
Segen davon; sein Herz zog ihn nach Italien, nach Rom, das 
er zur Hauptstadt des Reichs zu erheben gedachte. In Jta-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.