Full text: Die Welt im Spiegel der Nationalliteratur ([5], [Schülerbd.])

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ihn selbst bei der Hand und führte ihn gegen die Burg. Da 
sprach der junge Held zu dem Vogel: „Flieg deinen Weg wohl, 
lieber Schwan! Wenn ich deiner wieder bedarf, will ich dich 
schon rufen." Sogleich schwang sich der Schwan auf und fuhr 
mit dem Schifilein aus aller Augen hinweg. Jedermann schaute 
den fremden Gast neugierig an; Karl ging wieder auf seinen 
Richterstuhl und wies jenem eine Stelle unter den andern 
Fürsten an. 
Die Herzogin von Brabant zur Seite ihrer schönen Tochter 
hub nunmehr ausführlich zu klagen an, und hernach verteidigte 
sich auch der Herzog von Sachsen. Endlich erbot er sich zum 
Kampfe für sein Recht; die Herzogin solle ihm einen Gegner 
stellen, um das ihrige zu bewähren. Da erschrak sie heftig; 
denn er war ein auserwählter Held, an den, wie sie fürchtete, 
sich niemand wagen würde. Vergebens ließ sie im ganzen 
Saale die Augen herum gehen; keiner war da, der sich erboten 
hätte. Ihre Tochter klagte laut und weinte; da erhob sich der 
Ritter, den der Schwan ins Land geführt hatte, und gelobte, ihr 
Kämpfer zu sein. Hierauf rüstete man sich von beiden Seiten 
zum Streite, und nach einem langen und hartnäckigen Gefechte 
war der Sieg endlich auf seiten des Schwanritters. Der Herzog 
von Sachsen verlor sein Leben, und der Herzogin Erbe wurde 
wieder frei und ledig. Da verneigten sie und die Tochter sich 
for dem Helden, der sie erlöst hatte, und er nahm die ange¬ 
tragene Hand der Jungfrau unter der Bedingung an, daß sie 
aie und zu keiner Zeit fragen solle, woher er gekommen und 
welches sein Geschlecht sei, denn sonst müsse sie ihn verlieren. 
Der Herzog und die Herzogin bekamen zwei Kinder, die 
waren wohlgeraten; aber immer mehr fing es an, ihre Mutter 
zu drücken, daß sie gar nicht wußte, wer ihr Vater war, uud 
endlich tat sie an ihn die verbotene Frage. Der Ritter er¬ 
schrak herzlich und sprach: „Nun hast du selber unser Glück 
zerbrochen und mich am längsten gesehen.“1) Die Herzogin 
bereute es, aber zu spät; alle Leute fielen zu seinen Füßen und 
baten ihn zu bleiben. Der Held wafihete sich, und der Schwan 
kam mit demselben Schifflein geschwommen; darauf küßte er 
beide Kinder, nahm Abschied von seinem Gemahl und segnete- 
das ganze Volk; dann trat er ins Schiff, fuhr seine Straße und 
kehrte nimmer wieder. Der Frau ging der Kummer zu Herzen, 
doch zog sie fleißig ihre Kinder auf. Von diesen stammen viele 
edle Geschlechter, die von Geldern sowohl als von Cleve, auch 
die Rienecker Grafen und manche andere; alle führen den 
Schwan im Wappen. Jakob u. Wilhelm Grimm. 
*) Kein Ritter des heiligen Grals durfte eine Frage nach seiner Her¬ 
kunft gestatten. Wurde sie doch getan, so mußte er zum heiligen Gral 
zurückkehren.
	        
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