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Reunionskammern, welche ihm fast das ganze linke Rheinufer
von Basel bis Koblenz zusprachen. Ohne Umstände nahm Lud¬
wig davon Besitz, uud ehe sich noch das deutsche Reich zur Ab¬
wehr dieser Angriffe ausraffen konnte, bemächtigte sich der König
auch des wichtigen Straß bürg, der einzigen Stadt des Elsaß,
die bisher ihre volle Selbständigkeit bewahrt hatte. Ende Sep¬
tember 1681, als eben viele Bürger zur Messe abwesend waren,
erschienen plötzlich französische £ nippen vor den Thoren und
forderten die Bewohner zur Übergabe auf. An einen wirksamen
Widerstand durfte man bei dem Mangel an guten Verteidigungs¬
mitteln nicht denken, und so ging die „wunderschöne" Stadt,
einer der Hauptsitze deutscher Gelehrsamkeit und deutschen Ge-
werbfleißes, an die Fremden verloren. Ein lauter Schrei des
Schmerzes und der Entrüstung entfuhr der deutschen Nation,
aber zur Züchtigung des Räubers, zur Ahndung des begangenen
Frevels kam es nicht. Von den Türken bedroht, schloß der
Kaiser mit Frankreich einen Waffenstillstand, der es im Besitze
alles dessen ließ, was es sich widerrechtlich angeeignet hatte.
Jetzt richtete Ludwig seine Augen auf die Pfalz, die er
als Erbe der Herzogin von Orleans, einer pfälzischen Prinzessin,
beanspruchte. Da endlich traten die Gegner Frankreichs zu einem
großen Bunde zusammen, dem sich außer dem Kaiser und ver¬
schiedenen deutschen Fürsten auch Holland, Spanien, England
und Schweden anschlossen. Um dem Angriffe zuvorzukommen,
rückte der König rasch an den Rhein vor und ließ die Pfalz
samt den benachbarten Landschaften aufs grauenvollste verheeren.
Viele Hunderte von Städten und Dörfern am Rhein, Main
und Neckar sanken in Asche, die Bewohner wurden ermordet
oder gewaltsam katholisch gemacht, die Franen und Mädchen in
der schändlichsten Weise gemißhandelt. „Der König will's!"
war die kalte Antwort der Befehlshaber, wenn die Unglücklichen
verzweifelnd um Gnade und Erbarmen flehten. Das prachtvolle
Heidelberger Schloß wurde in einen Trümmerhaufen verwandelt,
und in Speier wühlte man sogar die geheiligten Gräber der Kaiser
auf, beraubte sie ihrer Kostbarkeiten und zerstreute die Gebeine.
Nun erschienen zwar die Verbündeten im Felde und trieben die
Mordbrenner über den Rhein zurück, aber im weiteren Verlaufe
des Krieges waren doch die Heere Ludwigs im Vorteil. Endlich
ließen die erschöpfte Staatskasse und die Aussichten auf einen
neuen Kampf wegen der spanischen Erbfolge den französischen
König die Einstellung der Feindseligkeiten wünschen, und so kam
1697 der Fried e vonRyswick zustande, durch welchen Frank¬
reich im Besitze des Elsasses mit Straßburg verblieb.
Im Jahre 1700 starb der letzte König von Spanien aus
dem Hause Habsburg, nachdem er Philipp von Anjou, den
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