Full text: Sagen und Geschichten (Teil 1)

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legte und am Spinnrocken saß. Nach Ablauf der drei Jahre 
kehrte ihm die alte Thatkraft zurück und trieb ihn an, neue 
Kämpfe und Abenteuer zu suchen. Auf seinen Streifzügen kam 
er auch nach Ätolieu und gewann hier die schöne Dejauira, die Toch¬ 
ter des Königs Öneus, die er dann heim nach Theben führte. 
Unterwegs mußte er über einen Fluß setzen, und der Centaur 
Nessus, ein Wesen, das halb Roß, halb Mensch war, erbot sich, 
Dejauira hinüber zu tragen. Jenseit des Stromes aber wollte 
der Ungeschlachte der Gattin Gewalt anthun. Da fassete Herkules 
einen seiner Pfeile, die er im Gifte der Hydra getränkt, und 
schoß das Ungeheuer durch den Rücken. Um sich zu rächen, gab 
Nessus der Dejauira sein blutiges, nun ebenfalls vergiftetes Ge¬ 
wand, mit dem Bedeuten, daß es ihr des Gemahls Liebe zu er¬ 
halten vermöge. Die Veranlassung, von dem Mittel Gebrauch 
zu machen, fand sich bald. Herkules nahm die schöne Prinzessin 
Jole gefangen, und Dejauira, die des Gatten Untreue fürchtete, 
sandte ihm ein Opferkleid, in welches sie die Wolle vom Gewände 
des Nessus verwebt. Kaum hatte es der Held angelegt, als die 
ganze Gewalt des furchtbaren Giftes ihm durch die Glieder 
zuckte. In der ersten Wut schmetterte er den unschuldigen Diener, 
der ihm das verhängnisvolle Geschenk überbracht, an einen Felsen. 
Dann ließ er sich ans den Berg Ota führen, wo er einen mit 
Hilfe feines Freundes Jolaus errichteten Scheiterhaufen bestieg, 
um den doch unvermeidlichen Tod in den Flammen zu suchen. 
Wohl verzehrte das Feuer des Helden Leib, sein Geist aber stieg 
zur Wohnung der Götter auf dem Olymp empor. 
7. Thesens. 
Gleichzeitig mit Herkules lebte in Griechenland ein anderer 
hochberühmter Held: Theseus. Er war der Sohn des Königs 
Agens von Athen und der Äthra, einer Tochter des Königs Pit¬ 
theus von Trözene, in dessen Hause er seine erste Jugend ver¬ 
lebte. Als er sein 16. Jahr erreicht hatte, offenbarte ihm die 
Mutter den Namen des Vaters und schickte ihn zu demselben 
nach Athen. Der Weg dorthin wurde durch verschiedene Unholde 
unsicher gemacht, welchr den Reisenden aufzulauern und sie, oft 
unter den schändlichsten Martern, umzubringen pflegten. Der 
Riese Periphetes erschlug sie mit einer schweren eisernen Keule; 
der Fichtenbeuger Sinnis bog zwei Fichten mit den Wipfeln zu¬ 
sammen, band an jede Spitze einen Fuß des Wanderers und ließ 
diesen daun von den zurückschnellenden Bäumen in Stücke reißen; 
Sciron zwang die Vorübergehenden, ihm die Füße zu waschen, 
und stürzte sie hierauf von dem Felsen hinab ins Meer; der 
Ausdehner Prokmstes legte die kleinen Menschen in ein großes
	        
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