Full text: Sagen und Geschichten (Teil 1)

Senate, der aus Patriciern gebildeten obersten Ratsversammlnng, 
den Vorschlag, den Plebejern das Getreide nur unter der Bedingung 
tu verabreichen, daß sie -auf ihre Tribunen verzichteten. Dafür 
luden ihn diese vor ihren Richterstuhl, und als er, statt zu er¬ 
scheinen, mit verächtlichen Schmähreden antwortete, wurde er 
verurteilt und zur Flucht gezwungen. Rachedürstend begab er sich 
zu den Volskern, forderte sie zum Kriege wider Rom auf und 
bot sich selbst zu ihrem Fahrer an. Erfreut nahmen die Volsker 
den als tapferen Feldherrn bekannten Mann auf, der,.nun mit 
.Heeresmacht gegen feine Vaterstadt heranrückte und die Äcker und 
Gehöfte grauenvoll verwüstete. Die Römer waren in der groß- 
ten Not; von außen kam keine Hilfe, und im Innern herrschte 
Groll und Hader. Aber umsonst beschloß man die Zurückbe¬ 
rufung des Verurteilten und sicherte demselben die Wiederein¬ 
setzung in alle bürgerlichen Ehren und Rechte zu; Coriolau er¬ 
klärte, nur wenn den Volskern die früher entrissenen Gebiete 
herausgegeben würden, könne von Einstellung des Krieges die 
Rede sein. Vergebens auch zogen die Priester in langer Reihe 
als Flehende in das feindliche Lager; sie mußten ebenfalls unver¬ 
richteter Dinge umkehren. Schon nahete der Tag, an welchem 
der Angriff auf die Stadt beginnen sollte. Da begaben sich die 
vornehmsten Frauen Roms, geführt von Coriolans Mutter Ve- 
turia und feiner Gattin Votumnia, in Trauerkleidern zu dem 
strengen Feldherrn, und ihren Bitten und Thränen gelang es, 
ihn zu erweichen. „Mutter," sprach Coriolanus gerührt, „dem 
Vaterland hai't du gerettet, aber deinen Sohn verloren!" Er 
zog ab und starb in der Verbannung. 
Auch die nächstfolgende Zeit verfloß unter fast fortwähren¬ 
dem Hader zwischen den Patriciern und Plebejern. Im Laufe 
der Jahre aber gewannen die letzteren immer größere Rechte und 
Freiheiten, bis sie zuletzt den Zutritt selbst zu den höchsten Staats¬ 
ämtern erlangten. 
17. Die Gallier in Rom. 
Ums Jahr 390 drangen die in der Poebene hausenden kriegs- 
irnd beutelustigen Gallier in Etrurien ein und belagerten Clusium. 
Die Clusier wandten sich um Hilfe an die Römer, und diese 
richteten die drohende Frage an die Gallier, mit welchem Rechte 
sie eine unter römischem Schutze stehende Stadt bedrängten. Die 
Gallier erwiderten: „Unser Recht beruht auf unserm Schwerte, 
alles gehört den Tapferen!" Gegen jeden Gebrauch nahmen hier¬ 
auf die Gesandten am Kampfe teil, und einer von ihnen tötete 
einen gallischen Befehlshaber. Da ließ der Heerkönig, Brennus 
genannt, alsbald von Clusium ab und rückte auf Rom los. Wie
	        
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