Rudolf von Habsburg.
97
Endlich fiel die Wahl auf den Grafen Rudolf von Habsburg. Er
besaß bedeutende Güter in der Schweiz. Diese Besitzungen waren zwar
viel geringer, als die der übrigen deutschen Fürsten; allein Rudolf
war wegen seiner Tapferkeit, Gerechtigkeit und Frömmigkeit allgemein
geehrt. Einst begegnete ihm auf der Jagd ein Priester, der zu
einem Kranken ging. Das Wetter und die Wege waren schlecht.
Rudolf stieg von seinem Pferde und gab es Dem Geistlichen. Als
er die Kunde von seiner Kaiserwahl vernahm, begab er sich zur Krönung
nach Aachen. Zufällig war das Zepter, welches bei der Krönung dem
Kaiser in der Kirche überreicht wird, vergessen worden. Schnell er¬
griff Rudolf das Kruzifix vom Altar und sagte: „Dieses Kreuz, in
welchem wir und die Welt erlöset sind, wird ja wohl die Stelle eines
Zepters vertreten können." Nachdem der Papst die Wahl des Kaisers
bestätigt hatte, trat Rudolf seine segensreiche Regierung an.
Er hatte sich zum Ziele gesetzt, das Ansehen Deutschlands wieder
herzustellen. Daher wollte er von Italien gar nichts wissen. Er
sagte, wie in der Fabel der Fuchs vor der Höhle des Löwen: „Er sehe
wohl Fußtapfen derer, die glücklich in Italien hineingekommen, aber
nicht derer, die wohlbehalten wiedergekehrt." Da die deutschen Fürsten
sehr übermütig waren, so mußte Rudolf zunächst durch eigene Kraft,
ohne ihre Hilfe, sich Ansehen zu verschaffen suchen. Er überzog den
mächtigsten deutschen Reichsfürsten, Ottokar von Böhmen, mit
Krieg. Dieser weigerte sich nämlich, Rudolf als Kaiser anzuerkennen
und beharrte, so sehr man ihn auch warnte, tn seinem Trotze. Vom
Elsaß ging nun der Kaiser mit einem kleinen Heere den Rhein hin¬
unter. Unterwegs fragte ihn ein Ritter: „Herr, wer soll denn jetzt
euern Schatz bewahren?" Rudolf antwortete: „Ich habe keinen Schatz
und kein Geld, als diese fünf Schillinge, aber der Herr, der immer
geholfen hat, wird auch jetzt für mich sorgen." Wirklich half ihm auch
der Herr. Denn Rudolf wurde vom König von Ungarn, vom
Herzog von Bayern und andern Fürsten unterstützt, und so zog
er durch Bayern nach Österreich. Als Ottokar die Übermacht seines
Gegners sah, wünschte er einen Vergleich, der ihm auch bewilligt
wurde. Er mußte Österreich, Steiermark, Kärnten und andere Lades¬
telle an den Kaiser abtreten. Allein bald schmerzte ihn der Verlust,
und er versuchte den Kamps noch einmal. Rudolf focht bei Wien
auf dem Marchfelde so tapfer, daß Ottokar die Schlacht und sein
Leben verlor. Nun brachte der Kaiser die großen Länder des gefallenen
Königs an sein Haus. Es waren indes noch manche andere Fürsten
widerspenstig, besonders der wilde und kriegslustige Graf Eberhard
von Württemberg. Sie wurden alle zur Ruhe gebracht. Den
Mensch, Weltgeschichte i. 7