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Friedrich der Große und seine Zeit.
des Geistes, nicht im buchstäblichen Sinne hätte erobern müssen. Die
menschliche Natur ist nun einmal so gemacht, daß sie das besonders
schätzt und erstrebt, was nur durch Überwindung von Schwierigkeiten
erreicht werden kann. Die Zusammensetzung der Bibliothek, in der die
hervorragendsten Dichter, Denker und Historiker der Kulturvölker ver-
treten waren, stellt der Gediegenheit der Geistesrichtung des Krön-
prinzen das günstigste Zeugnis aus. Der König ließ dann die ganze
Sammlung versteigern.
Die Kunsteindrücke sind den Jugendtagen des Kronprinzen
nicht völlig fern geblieben. Friedrich Wilhelm I. war durchaus nicht
unmusikalisch. Nur aus Sparsamkeit hatte er die Hofkapelle abgeschafft.
Er liebte besonders Händel, dessen Opern er sich von der Militär-
kapelle vorspielen ließ. Wenn er in Potsdam war, wurde wöchentlich
einige Male in seinen Zimmern Musik gemacht. Seinem Sohne ließ
er auch Gesangunterricht erteilen. Das geliebte Flötenspiel freilich
mußte dieser sich heimlich aneignen. Der König von Polen hatte mit
Bedauern bemerkt, daß die Kapelle der Königin Sophie Dorothea so
dürftig ausgestattet war. Er sandte vier Kammermusiker nach Berlin,
um vor der Königin zu spielen, während ihr Gemahl auf einer Reise
nach Ostpreußen abwesend war. Von da an erhielten Quanz und
Weiß auf Wunsch der Königin Erlaubnis, von Zeit zu Zeit auf
Wochen nach Berlin zu gehen. Quanz unterrichtete Friedrich auf der
Flöte, Weiß dessen Schwester Wilhelmine auf der Laute.
Die bekannte Szene, in welcher Friedrich bei der heimlichen Musik-
stunde vom König überrascht wird, Quanz und Katte sich mit Flöte und
Noten in den Kamin verkriechen und der brokatene Schlafrock nebst
Haarbeutel und entdecktem Büchervorrat ins Feuer wandern müssen,
fällt in den Sommer 1730, also in das Jahr, in welchem der Gegensatz
zwischen Sohn und Vater sich schon sehr zugespitzt hatte.
Die große innere Abhängigkeit, in welcher der Kronprinz dahin
lebte, wird sich ihm besonders sühlbar gemacht haben, als er in der
Karnevalszeit 1728 als Gast in Dresden am Hofe des Polenkönigs
weilte und an den rauschenden Festen und üppigen Freuden daselbst
seinen Anteil in vollen Zügen nahm. Mit Entzücken hörte er in
jenem Winter die erste Oper „Cleofide" von Hasse. Anfangs wollte
er sich wohl nicht in das üppige Leben hineinziehen lassen, denn in
einem Brief an seine Schwester Wilhelmine unterzeichnet er sich als
„Frederic le Philosophe". Aber sehr bald erwachte sein Temperament
und ein gewisser Hang zum Lebensgenuß, den der König mit Mitteln
der Gewalt und des Zwanges zu unterdrücken suchte. Obgleich
Friedrich schon achtzehn Jahre alt war, vergaß der König sich in auf¬