Full text: Sagen und Geschichten

10. Begleichung der alten und neuen Welt. 30 
überall so überwiegend hervor, daß er dein ganzen Welttheil fast aus¬ 
schließlich die charakteristische Bedeutung gibt. 
Das Klima der neuen Welt zeichnet sich im Vergleich mit dem der 
alten Welt durch Regenüberfluß, oder allgemeiner, durch eine größere 
Feuchtigkeit ans. Eine Folge der offenen Lage der großen Flächen für 
den wasserreichen Seewind, eine Folge der Abwesenheit von hohen öst¬ 
lichen Gebirgsketten, — mit Einem Worte, eine Folge der höchst gün¬ 
stigen Configuration und Lage dieses Welttheils. Während die alte 
Welt mit ihrer zusammengedrängten, compacten Figur, mit ihren ge¬ 
waltigen Hochebenen und Gebirgen im Osten nur durchschnittlich 7 7 
Zoll jährlichen Regens unter den Tropen bekommt, em¬ 
pfängt America 115 Zoll, also um die Hälfte mehr. Die gemäßig¬ 
ten Regionen in Europa haben 34 Zoll jährlichen Regens, in Nord¬ 
amerika 39 Zoll. 
Man füge zu dieser Ucberfülle an atmosphärischem Wasser noch 
die große Ausdehnung der Ebenen, welche die freie Entwicklung der 
umfangreichsten Systeme gewaltiger Ströme in jeder Hinsicht begünsti¬ 
gen, hinzu, und es wird die Ursache klar werden, warum Amerika so 
charakteristisch reich versorgt und begünstigt sein kann mit einer unend¬ 
lichen Menge von Flüssen und Seen. Obgleich die Ausdehnung der 
neuen Welt viel geringer ist als die der alten Welt, so besitzt sie doch 
viel bedeutendere Flüsse als diese. Ihre Ströme sind die wasserreichsten, 
die verzweigtesten und längsten auf der ganzen Erde. Denn wo auf 
der Oberfläche der Erde findet der Amazonenstrom seines Gleichen, 
der seine Wasser auf einer Fläche von 84,000 Q.-M. zu einem Sy- 
stenie vereinigt und eine Länge von 730 gcogr. Meilen besitzt. Dieser 
Riesenstrom nimmt in seinem Fortgange Nebenströme von solcher Wich¬ 
tigkeit in sich auf, daß sie in den größten Continenten noch als selb¬ 
ständige größte Ströme Anerkennung finden würden, ja, sogar im 
Stande wären, einen solchen ganzen Continent vollkommen ausreichend 
mit Wasser zu versorgen. Wir nennen hier nur den Ucayale, 
den Rio Par ns, den Negro und vor allen den Madeira, — sie 
alle sind so wasserreich, so tief, breit und lang, daß sie in Hinsicht der 
Größe mit dein Stammflusse um die Ehre der Namengebung ihrer 
Vereinigung rivalisiren könnten. Je weiter dieser majestätische Strom 
in seinem Laufe sich von der ersten Quelle entfernt, um so gewaltiger 
wächst seine Breite; und in der Nähe des Oceans ist seine Flüche so 
breit, daß das Auge nicht einmal von ihrer Mitte ab die Ufer erspä¬ 
hen kann; er scheint viel eher ein weit über den Gesichtskreis hinaus 
ausgedehnter Landsee als ein Festlandsfluß zu sein, denn er bewegt sich 
nur langsam dem Meere zu. 
In Nordamerika ist das Stromgebiet des mächtigen Mississippi, 
des zweiten Stromes der ganzen Erde, dem des Maranon fast 
ganz gleich. Denn des Hauptstroms windender Lauf ist ebenfalls 730 
Meilen lang und er überdeckt mit seinen Zweigen eine Landfläche von 
50- bis 60,000 Q.-Bi. Zunächst folgen dann noch des Stromes Zweige,
	        
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