76 Zigeuner.
Mitte des Loches liegt ein faustgroßes Stück Eisen als Ambos,
dabei einige Kohlen, ein Hammer und eine Zange, ein naktes
Kind zieht den Blasebalg — das ist die Werkstätte. Eine
große Anzahl von Zigeunern beschäftigt sich mit der Goldwäsche
und hat nur die Verpflichtung, jährlich wenigstens einigen Gold-
staub an den Aufseher abzuliefern.
Die niedrigste Klasse bilden die Wanderzigeuner. Ein
paar Schweine, ein struppiger Hund, eine dürre Mähre, die
das Zelt trägt oder den Karren zieht, — das ist der ganze
Hausrat dieser Nomaden. Mit Unrecht beschuldigt man sie des
Diebessinnes. Es fällt ihnen gar nicht ein, sich mit Besitz zu
beschweren. Sie nehmen, wie die Kinder, was sie gerade
brauchen, und lassen es wieder fallen, wenn sie nicht mehr
daran denken. Sie wollen elend bleiben, aber Könige der
freien Luft, nicht gebunden an Geschäft und Haus.
Doch leben nicht alle Zigeuner in demselben Elende; manche
haben sich der Landwirtschaft ergeben und sind in diesem Be-
triebe glücklich, wie denn dies Volk zu allem, was es angreift,
ein besonderes Geschick zeigt. Ja, es giebt eine gewisse Aristo-
kratie unter ihnen, und nicht wenige, die in Städten, namentlich
in Hermannstadt und Klausenburg, oder vielmehr in eigenen
Dörfchen bei den Städten wohnen, sind wirklich wohlhabend zu
nennen. Ihre Wohnungen zeichnen sich nicht selten durch Rein-
lichkeit aus. Sie tragen die schöne Husarentracht mit klingen-
den Sporen. Ihr Haupterwerbszweig ist die Musik. Wer auf
einem Instrumente tüchtig ist, wird in eine Musikbande auf-
genommen, und so durchziehen sie das Land und kehren oft
mit ansehnlichem Gewinn nach Hause zurück. Wie der Zigeuner
die Musik leidenschaftlich liebt, so hat er auch das feinste Ge-
hör für sie, was ihn bei Erlernung eines Instrumentes außer-
ordentlich begünstigt. Doch befaßt er sich selten mit Noten,
sondern zufrieden, eine Melodie gehört zu haben, faßt er sie
sogleich vollkommen auf und behält sie mit erstaunlicher Treue.
Diese Eigenschaft hat die Zigeuner bei allen Festen in Ungarn
und Siebenbürgen fast unentbehrlich gemacht.
Gedicht: „Der Zigeunerbube im Norden" von Geibel.