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Sessel nicht vorhanden war. Trotzdem trug sie ihr hartes Geschick mit
stiller Ergebung; keine Klage, kein Wort des Unwillens entschlüpfte ihren
bleichen Lippen. Nach der Schlacht von Eylan schrieb die starke Dulderin
mt ihren Vater, den Herzog von Mecklenburg-Strelitz: „Zwei Haupt¬
gründe habe ich, die mich über alles erheben, der erste ist der Gedanke:
wir sind kein Spiel des blinden Zufalls, sondern wir stehen in Gottes
Hand, und die Vorsehung leitet uns, — der zweite: wir gehen mit Ehren
unter. Der Köuig hat bewiesen, daß er nicht Schande sondern Ehre
will. Prenßen wollte nicht freiwillige Sklavenketten tragen. Auch nicht
einen Schritt hat der König anders handeln können, ohne seinem Charakter
ungetreu und an seinem Volke ein Verräter zu werden. Wie dieses
stärkt, kann nur der fühlen, den wahres Ehrgefühl durchströmt." Als
nach dem Ausgang der unglücklichen Schlacht bei Friedland Preußen ge¬
nötigt war, mit Napoleon Frieden zu schließen, erschien Luise selbst,
so schwer es ihr auch wurde, in Tilsit, um Napoleon zu billigeren Rück¬
sichten zu bestimmen, leider ohne Erfolg. So wurde denn der schmach¬
volle Friede geschlossen, der den König fast der Hälfte seiner Länder be¬
raubte. Das war ein Schicksalsschlag, der die edle Königin tief ins
Herz traf. Aber wenn ihr auch das Herz blutete, so verlor sie doch
nicht die Hoffnung auf eine gerechte Vergeltung. Mit ihrem klaren,
scharfen Blicke erkannte sie den Grund von Preußens tiefem Fall. „Es
wird mir immer klarer", schrieb sie an ihren Vater, „daß alles so kommen
mußte, wie es gekommen ist. Die göttliche Vorsehung leitet unverkennbar
neue Weltzustände ein, und es soll eine andere Ordnung der Dinge
werden, da die alte sich überlebt hat und in sich als abgestorben zusammen¬
stürzt. Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeeren Friedrichs des Großen,
welcher, der Herr seines Jahrhunderts, eine neue Zeit schuf. Wir sind
mit derselben nicht fortgeschritten, deshalb überflügelt sie uns. Das sieht
niemand klarer als der König. Noch eben hatte ich mit ihm darüber
eine lange Unterredung, und er sagte in sich gekehrt wiederholentlich:
»Das muß auch bei uns anders werden«". In der Zeit der tiefsten
Erniedrigung Preußens zeigte sich die Königin in ihrer ganzen Helden¬
größe. Sie nahm den innigsten Anteil an der Wiedergeburt des Staates
und der Erweckung des Volkes. Ihren Vorstellungen namentlich war es
zu danken, daß der König den früher verabschiedeten Freiherrn von Stein
zurückrief und an die Spitze feiner Regierung stellte, wodurch der preußische
Staat vollständig neu gestaltet und befähigt wurde, einen erfolgreichen
Kampf mit dem unersättlichen Eroberer aufzunehmen. Nachdem das
Königspaar im Jahre 1808 einen Besuch in Petersburg gemacht hatte,