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entwürfe, welche ihre Provinz betrafen, ihr Gutachten abzugeben und bis
zur Einrichtung einer Ständeversammlung für das ganze Land — die
einer späteren Zeit vorbehalten blieb — auch die allgemeinen Gesetze über
Personen, Eigentum, Steuerveränderungen u. s. w. zu beraten.
Heerwesen. Besondere Sorgfalt widmete Friedrich Wilhelm auch
nach den Befreiungskriegen der Entwickelung des Heerwesens. Die
Militärverfassung wurde für die Zukunft im großen uud ganzen nach den
von Scharnhorst aufgestellten Grundsätzen eingeführt. Sie beruht auf der
allgemeinen Wehrpflicht, nach der jeder körperlich taugliche Preuße, sobald
er das zwanzigste Lebensjahr zurückgelegt hat, zum Dienst für die Landes¬
verteidigung verpflichtet ist. Die bewaffnete Macht zerfällt in das stehende
Heer, die Landwehr und den Landsturm, der nur in der äußersten Not
zur Verteidigung im Innern des Landes aufgerufen werden soll. Jeder,
der seine aktive Militärzeit erfüllt hat, tritt zunächst auf zwei Jahre in
Kriegsreserve, dann zur Landwehr ersten Aufgebotes und nach zurück¬
gelegtem 32. Lebensjahre zur Landwehr zweiten Aufgebots über, welche
alle wehrfähigen Preußen bis zum 39. Lebensjahre umfaßt. Diese Militär-
verfassung ist bis in die Neuzeit im wesentlichen dieselbe geblieben.
Finanzwesen. Um aber die zur Unterhaltung eines kriegstüchtigen
Heeres, sowie die zur Staatsverwaltung notwendigen Mittel ausbringen
und auch die in den Jahren von 1806 bis 1815 angehäufte Schulden¬
last, die sich im Jahre 1820 aus 215 Millionen Thaler belief, tilgen
zu können, wurde der Staatshaushalt fest geregelt. Der König ließ
kein Mittel unversucht, die Finanzlage des Staates zu heben. Er verkaufte
den größten Teil seiner Domänen und verwandte den Erlös zur Tilgung
der Schuldenlast. Große Ersparnisse machte er beim Militär durch Be¬
urlaubungen; außerdem bestimmte er, daß die gesamten Staatsausgaben
nie den Betrag von 50V2 Millionen überschreiten dürsten. Anstatt der
früher erhobenen Thoraccife wurde in größeren Städten die Mahl- und
Schlachtsteuer, in kleineren Städten und aus dem platten Laude die Klassen¬
steuer eingeführt. Dadurch hoben sich die Einnahmen des Landes be¬
deutend, und man konnte beträchtliche Summen zur Verbesserung des
Landbaues, zur Förderung des Handels und Verkehrs (durch Anlegung
von Chausseeen), zur Hebung des Gewerbfleißes und zur Unterstützung von
Künsten und Wissenschaften verwenden.
Handel und Verkehr. Einen gewaltigen Aufschwung nahmen Handel
und Verkehr infolge der Nutzbarmachung der Dampfkraft. Im Jahre
1825 fuhr das erste Dampfschiff auf dem Rhein, und nachdem 1835
zwischen Nürnberg und Fürth die erste deutsche Eisenbahn angelegt war.