352
Erzählende Gedichte.
297. Eine Seerüubergeschichte.
Erzählung des alten Steuermanns.
Wir hatten Ol geladen und Korinthen
Und segelten vergnügt mit unsrer Fracht
Von Malta auf Gibraltar, Jochen Schütt,
Der lüb'sche Kapitän, mit fünf Matrosen,
5 Und ich, Hans Kiekebusch, als Steuermann.
Der Wind blies lustig, und wir waren schon
Sardinien vorbei, als hinter uns
Nordost her ein verdächtig Segel aufkam,
Das wie mit Siebenmeilenstiefeln lief.
10 Bedenklich guckte Jochen Schütt durchs Glas
Und schüttelte den Kopf und guckte wieder,
Und immer länger ward sein schlau Gesicht.
„Verdammte Suppe!“ brach er endlich los,
„Der Haifisch soll mich schlucken, wenn das nicht
15 Tuneser sind, Spitzbuben, die's auf uns
Und unsern schmucken Schoner abgesehn!
Bei Gott, jetzt heißt es: Alles Weißzeug los
Und stramm gesegelt!“
Leider war's zu spät.
20 Ein Viertelstündchen noch, da wußten wir,
Daß Flucht unmöglich. Gleich darauf auch ließ
Das Kaperschiff die rote Flagge schon
Vom Topmast fliegen, und ein Schuß befahl
Uns beizulegen. An Verteidigung
25 War nicht zu denken: Sieben waren wir,
Die höchstens Sonntags mal im Lauer Holz
Mit Schrot geknallt, und drüben an die vierzig,
Verwegnes Raubvolk insgesamt, auf Mord
Und Todschlag eingeübt, wie wir aufs Kegeln.
30 Mit einer einz'gen Salve hätten sie
Uns weggefegt; drum hieß uns Jochen Schütt
Geruhig bleiben und ihn machen lassen;
Ein Stückchen, meint er, hab' er ausgedacht,
Das uns vielleicht noch aus der Tinte hülfe;
35 Zwar spiel' er auf Va banque damit, indes
Am Ende sei'n wir Christenmenschen doch,
Und Gott im Himmel könn' ein Einsehn haben.
So brümmelnd stieg er zur Kajüt' hinab
Und nahm die andern mit; nur mir befahl er
NAuf Deck zu bleiben und dem leidigen
Besuch, als käm' er auf ein Frühstück bloß,
Mit Höflichkeit zu ihm den Weg zu weisen.