Full text: Lesestoffe aus allen Teilen der Geschichte (4 = Erg.-Bd.)

— 161 — 
ben neuen Stabtteilen liegen zwischen ben Häusern Obst- uub Gemüse¬ 
gärten, in benen Nelke, Lack, Rose unb Lilie blühen. Fast ben ganzen 
Tag hinbnrch tönt Glockenklang von ben Dielen Kirchen, Klöstern unb 
Kapellen; er ist betn Bürger herzlich lieb, benn er umkliugt ihm bas 
ganze Leben, unb ber Deutsche ehrt seine Glocken wie lebenbe Wesen unb 
nennt sie gern Anna, Snsanna u. s. w. Währeub srüher nur bas 
Kirchengeläut bie neun Tageszeiten ber Kirche melbete^unb baueben bas 
Horn bes Türmers unb eine Sonnenuhr ober eine Scmbuhr am Rat¬ 
hause bie Stunben wiesen, bie nach römischem Brauch von 1—24 gezählt 
würben, zeigt vom 14. Jahrhunbert an bas Zifferblatt ber allmählich 
eingeführten Turmuhren bie Stuuben von 1 — 12. 
Die häusliche Einrichtung trug bas Gepräge ber Einsalt bes Zeit¬ 
alters. Im Erbgeschoß ist bie Werkstatt unb außerbem eine Hinterstube 
mit Kammern als Wohngelaß, ber meiste Raum ber oberen Stockwerke 
bes Hauses bient aufgehäuften Vorräten. Noch wohnt selbst in ver- 
mögenben Häusern ber Sohn mit seiner jungen Frau bei ben Eltern in 
ber großen Hinterstube unb geht bei ihnen. zur Kost, noch essen Mann 
uub Frau aus einem Teller ohne Gabeln, Fackeln unb Laternen bienen 
noch statt Kerzen zur Beleuchtung. Die einfachen, meist noch roh gear¬ 
beiteten Möbeln sinb Tisch, Holzstühle unb Banse, Truhen unb Kästen, 
seltener Schränke; bas Geschirr aber zeigt schon Gesäße von Zinn unb 
von zierlich gemaltem unb glasiertem Ton, boch starb ber Lchlettstäbter 
Künstler, ber zuerst bie Glasur.irbener Gesäße anwanbte, erst gegen ©übe 
bes 13. Jahrhuuberts. Die Magbeburger Statuten zahlen noch Bürste, 
Schere uub Spiegel zu ben Kleinobien einer reichen Stabtsran. Erst 
währeub bieses Zeitraumes beginnt in ben Häusern ber Kaufleute, zumal 
berer, bie mit betn reicheren ©üben verkehren, bessere Ausstattung. Die 
Stuben roerbeit mit Kalkfarbe gemalt, ber große kuppelförmige, noch 
nicht sehr häufig vorkvmmenbe Kachelofen toirb buntfarbig mit Silbern 
geziert unb mit Ehrenplätzen versehen, ein Schmuck roohlhabenber Häuser, 
bereu größte Zierbe jeboch bie bunt bemalten, bleigefaßten Glasrauten ber 
Fenster bilben, bie zunächst Teppichmuster, balb aber Wappenbilber in 
schöner Aussührung zeigen. 
Weit wichtiger als in ber Gegenwart war ben Menschen jener Zeit 
bie Kleibung; ber Verbrauch an bunten unb teuren Stoffen ist baher 
verhältnismäßig sehr groß. Es ist ein bem Mittelalter eigentümlicher 
Zug, baß jeber Staub sich burch besonbere Tracht kenntlich macht: ber 
Leibeigene, ber Jube, ber Geistliche; aber auch Fürst, Ritter unb Kauf¬ 
mann suchen für sich uub ihre Frauen unterscheibenbe Vorrechte in 
Kleiberstoff unb Schmuck, unb anbere Kreise trachten nach gleicher Aus¬ 
zeichnung. Es beginnen baher bie Kleiberorbnungen ber Stäbte unb 
Laubesherren, bie erst mit ber französischen Revolution aufhörten. Die 
Einfachheit bes 13. Jahrhuuberts, wonach z. B. im blühenben Soest bie 
Bräute noch rote Tuchröcke unb Holzschuhe trugen, in Florenz bie ange¬ 
sehenen Geschlechter im Leberkoller etuhergiugeu, wich im 14. Jahrhunbert 
völlig, besoubers seit bie vielen beutschen Ritter unb Sölbner aus ben 
Kriegen ber Franzosen uub ihrer englischen Nebenbuhler bie tounber- 
Zurbonsen, Ouellenbuch IV. 11
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.