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ben neuen Stabtteilen liegen zwischen ben Häusern Obst- uub Gemüse¬
gärten, in benen Nelke, Lack, Rose unb Lilie blühen. Fast ben ganzen
Tag hinbnrch tönt Glockenklang von ben Dielen Kirchen, Klöstern unb
Kapellen; er ist betn Bürger herzlich lieb, benn er umkliugt ihm bas
ganze Leben, unb ber Deutsche ehrt seine Glocken wie lebenbe Wesen unb
nennt sie gern Anna, Snsanna u. s. w. Währeub srüher nur bas
Kirchengeläut bie neun Tageszeiten ber Kirche melbete^unb baueben bas
Horn bes Türmers unb eine Sonnenuhr ober eine Scmbuhr am Rat¬
hause bie Stunben wiesen, bie nach römischem Brauch von 1—24 gezählt
würben, zeigt vom 14. Jahrhunbert an bas Zifferblatt ber allmählich
eingeführten Turmuhren bie Stuuben von 1 — 12.
Die häusliche Einrichtung trug bas Gepräge ber Einsalt bes Zeit¬
alters. Im Erbgeschoß ist bie Werkstatt unb außerbem eine Hinterstube
mit Kammern als Wohngelaß, ber meiste Raum ber oberen Stockwerke
bes Hauses bient aufgehäuften Vorräten. Noch wohnt selbst in ver-
mögenben Häusern ber Sohn mit seiner jungen Frau bei ben Eltern in
ber großen Hinterstube unb geht bei ihnen. zur Kost, noch essen Mann
uub Frau aus einem Teller ohne Gabeln, Fackeln unb Laternen bienen
noch statt Kerzen zur Beleuchtung. Die einfachen, meist noch roh gear¬
beiteten Möbeln sinb Tisch, Holzstühle unb Banse, Truhen unb Kästen,
seltener Schränke; bas Geschirr aber zeigt schon Gesäße von Zinn unb
von zierlich gemaltem unb glasiertem Ton, boch starb ber Lchlettstäbter
Künstler, ber zuerst bie Glasur.irbener Gesäße anwanbte, erst gegen ©übe
bes 13. Jahrhuuberts. Die Magbeburger Statuten zahlen noch Bürste,
Schere uub Spiegel zu ben Kleinobien einer reichen Stabtsran. Erst
währeub bieses Zeitraumes beginnt in ben Häusern ber Kaufleute, zumal
berer, bie mit betn reicheren ©üben verkehren, bessere Ausstattung. Die
Stuben roerbeit mit Kalkfarbe gemalt, ber große kuppelförmige, noch
nicht sehr häufig vorkvmmenbe Kachelofen toirb buntfarbig mit Silbern
geziert unb mit Ehrenplätzen versehen, ein Schmuck roohlhabenber Häuser,
bereu größte Zierbe jeboch bie bunt bemalten, bleigefaßten Glasrauten ber
Fenster bilben, bie zunächst Teppichmuster, balb aber Wappenbilber in
schöner Aussührung zeigen.
Weit wichtiger als in ber Gegenwart war ben Menschen jener Zeit
bie Kleibung; ber Verbrauch an bunten unb teuren Stoffen ist baher
verhältnismäßig sehr groß. Es ist ein bem Mittelalter eigentümlicher
Zug, baß jeber Staub sich burch besonbere Tracht kenntlich macht: ber
Leibeigene, ber Jube, ber Geistliche; aber auch Fürst, Ritter unb Kauf¬
mann suchen für sich uub ihre Frauen unterscheibenbe Vorrechte in
Kleiberstoff unb Schmuck, unb anbere Kreise trachten nach gleicher Aus¬
zeichnung. Es beginnen baher bie Kleiberorbnungen ber Stäbte unb
Laubesherren, bie erst mit ber französischen Revolution aufhörten. Die
Einfachheit bes 13. Jahrhuuberts, wonach z. B. im blühenben Soest bie
Bräute noch rote Tuchröcke unb Holzschuhe trugen, in Florenz bie ange¬
sehenen Geschlechter im Leberkoller etuhergiugeu, wich im 14. Jahrhunbert
völlig, besoubers seit bie vielen beutschen Ritter unb Sölbner aus ben
Kriegen ber Franzosen uub ihrer englischen Nebenbuhler bie tounber-
Zurbonsen, Ouellenbuch IV. 11