Full text: Vaterländische Geschichte für den Schul- und Selbstunterricht

— 254 — 
errungen, trotz der roarmen Fürsorge, mit der er das leibliche und gei¬ 
stige Wohl seiner Unterthanen zu fördern suchte, trotz der großen Liebe 
und Verehrung,. die man ihm allerorten entgegenbrachte, sind ihm trübe 
Stunden nicht erspart geblieben; namentlich wurden ihm durch die sozia¬ 
listischen Bestrebungen die schwersten Sorgen und die bittersten Erfahrungen 
bereitet. In den letzten Jahrzehnten, namentlich nach dem deutsch-franzö¬ 
sischen Kriege, hatte das Großgewerbe in Deutschland überall einen ge¬ 
waltigen Aufschwung genommen, während fast in demselben Maße das 
Kleingewerbe zurückgegangen war. Viele Handwerker, die ehedem selb¬ 
ständig gearbeitet hatten, sahen sich, da sie die Waren nicht so billig 
herzustellen vermochten wie die Fabriken, genötigt, als Lohnarbeiter in die¬ 
selben einzutreten. Trotzdem aber die überall wie Pilze emporschießenden 
Fabriken die allerdings meist schlechte Ware sehr billig lieferten, warfen 
sie dennoch einen sehr beträchtlichen Gewinn ab, und da die reichen 
Fabrikbesitzer, deren Besitz sich immer mehr vermehrte, im Überfluß 
schwelgten und sich mit einem fürstlichen Luxus umgaben, so wuchs in 
den Kreisen der Arbeiter die Unzufriedenheit immer mehr. Als dann auf 
die Gründerzeit (1871—1873) der sogenannte „Krach" folgte, als nach 
Übertreibung der Handels- und Gewerbthätigkeit ein Stillstand der Ge¬ 
schäfte eintrat, wodurch zahllose Lebensstellungen zu Grunde gingen und 
Tausende an den Bettelstab gebracht wurden, da nahm die Zahl der 
Unzufriedenen in beträchtlichem Maße zu. Waren dieselben auch nach 
Stand und Erziehung, religiöser und politischer Beziehung unter sich sehr 
verschieden, so wandten sie sich doch mit ihren Wünschen und Hoffnungen 
immer mehr derselben Richtung zu, dem Sozialismus, dessen Programm 
in der Hauptsache lautet: „Alle Arbeitsmittel (Grundeigentum, Ma¬ 
schinen 2C.) sollen dem Staate, d. h. der Gesamtheit der Bewohner, ge¬ 
hören, die Produktion vom Staate geregelt werden, jeder Arbeiter gleichen 
Anteil an den erzeugten Gütern und Werken empfangen, allen gleiche 
Erziehung zu teil werden. Dazu ist nötig, daß der bestehende Staat in 
die Gewalt der Volksmehrheit, d. i. des vierten Standes, kommt, um 
von ihr gründlich umgestaltet zu werden.“ Unter den Anhängern der 
Sozialdemokratie machte sich eine große Abneigung geltend gegen die 
christliche Religion und alles, was ihr heilig ist: Gott, Vaterlandsliebe, 
Obrigkeit und bestehende Ordnung. Die Folgen dieses unheilvollen Treibens 
traten bald in erschreckender Weise zu Tage. Die Reden wurden immer 
dreister, die Roheit im Handeln nahm überhand. Den Fanatikern der 
neuen Lehre war nichts heilig, nicht einmal die Person eines der edelsten 
und wohlwollendsten Fürsten, die je das Scepter geführt. Zweimal, am
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.