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errungen, trotz der roarmen Fürsorge, mit der er das leibliche und gei¬
stige Wohl seiner Unterthanen zu fördern suchte, trotz der großen Liebe
und Verehrung,. die man ihm allerorten entgegenbrachte, sind ihm trübe
Stunden nicht erspart geblieben; namentlich wurden ihm durch die sozia¬
listischen Bestrebungen die schwersten Sorgen und die bittersten Erfahrungen
bereitet. In den letzten Jahrzehnten, namentlich nach dem deutsch-franzö¬
sischen Kriege, hatte das Großgewerbe in Deutschland überall einen ge¬
waltigen Aufschwung genommen, während fast in demselben Maße das
Kleingewerbe zurückgegangen war. Viele Handwerker, die ehedem selb¬
ständig gearbeitet hatten, sahen sich, da sie die Waren nicht so billig
herzustellen vermochten wie die Fabriken, genötigt, als Lohnarbeiter in die¬
selben einzutreten. Trotzdem aber die überall wie Pilze emporschießenden
Fabriken die allerdings meist schlechte Ware sehr billig lieferten, warfen
sie dennoch einen sehr beträchtlichen Gewinn ab, und da die reichen
Fabrikbesitzer, deren Besitz sich immer mehr vermehrte, im Überfluß
schwelgten und sich mit einem fürstlichen Luxus umgaben, so wuchs in
den Kreisen der Arbeiter die Unzufriedenheit immer mehr. Als dann auf
die Gründerzeit (1871—1873) der sogenannte „Krach" folgte, als nach
Übertreibung der Handels- und Gewerbthätigkeit ein Stillstand der Ge¬
schäfte eintrat, wodurch zahllose Lebensstellungen zu Grunde gingen und
Tausende an den Bettelstab gebracht wurden, da nahm die Zahl der
Unzufriedenen in beträchtlichem Maße zu. Waren dieselben auch nach
Stand und Erziehung, religiöser und politischer Beziehung unter sich sehr
verschieden, so wandten sie sich doch mit ihren Wünschen und Hoffnungen
immer mehr derselben Richtung zu, dem Sozialismus, dessen Programm
in der Hauptsache lautet: „Alle Arbeitsmittel (Grundeigentum, Ma¬
schinen 2C.) sollen dem Staate, d. h. der Gesamtheit der Bewohner, ge¬
hören, die Produktion vom Staate geregelt werden, jeder Arbeiter gleichen
Anteil an den erzeugten Gütern und Werken empfangen, allen gleiche
Erziehung zu teil werden. Dazu ist nötig, daß der bestehende Staat in
die Gewalt der Volksmehrheit, d. i. des vierten Standes, kommt, um
von ihr gründlich umgestaltet zu werden.“ Unter den Anhängern der
Sozialdemokratie machte sich eine große Abneigung geltend gegen die
christliche Religion und alles, was ihr heilig ist: Gott, Vaterlandsliebe,
Obrigkeit und bestehende Ordnung. Die Folgen dieses unheilvollen Treibens
traten bald in erschreckender Weise zu Tage. Die Reden wurden immer
dreister, die Roheit im Handeln nahm überhand. Den Fanatikern der
neuen Lehre war nichts heilig, nicht einmal die Person eines der edelsten
und wohlwollendsten Fürsten, die je das Scepter geführt. Zweimal, am