Full text: Vaterländische Geschichtsbilder

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ebenfalls geisteskranken Herzogs von Jülich, Cleve, Berg, Mark, Ravensberg. Da dieser 
1609 kinderlos starb, so beanspruchte Johann Sigismund als nächster Verwandter die 
ganze Erbschaft für sich. Gleiche Ansprüche erhob aber auch der Pfalzgraf von Neu¬ 
burg, dessen Mutter zwar die jüngste Schwester des verstorbenen Herzogs war, aber bei 
fernem Tode noch lebte, während die älteste bereits gestorben war. Als es zu Streitia- 
keiten darüber kam, machte der Kaiser Miene, das Land für sich zu behalten, da er es 
fernem evangelischen Fürsten gönnte. Bald wäre es darüber zu einem allgemeinen 
Kriege gekommen. Endlich schloß man den Vertrag zu Xanten 1614, durch welchen 
Brandenburg Cleve, Mark und Ravensberg erhielt. Diese Länder bildeten dm Kern 
arer= .^deutend erweiterten rheinischen Besitzungen Brandenburgs und Preußens. 
? ? = Ä ?ul hne neu Zu gewinnenden Unterthanen war Johann Sigismnnd wäh- 
rertd des Erbfolgestreites 1618 zum reformierten Glauben übergetreten. Über diesen 
Glanbenswechsel waren die Brandenburger und Preußen so erbittert, daß in Berlin ein 
Ausstand ausbrach. Doch blieb der Kurfürst dem reformierten Besenntnisse getreu So 
also während seiner Regierung Brandenburg im äußersten Osten und im äußersten 
Westen Deutschlands festen Fuß gefaßt. In feine letzten Regierungsjahre fällt der Be¬ 
gum des 30jährigen Krieges, dessen ganze Schwere fein Sohn Georg Wilhelm er¬ 
leben sollte. 
IX. Das Jahrhundert des dreißigjährigen Krieges. 
A. Der dreißigjährige Krieg. 1618—1648. 
l. Der ööhmisch-pfälzische Krieg, a. Vorgeschichte. Seit dem Augs¬ 
burger 9ieligion5frieden hatte die protestantische Lehre immer neue Anhänger 
gewonnen, selbst in Österreich. Die Evangelischen durften dort ungehindert 
Kirchen bauen, Schulen gründen und ihre Kinder in Luthers Lehre unter* 
weifen lassen. Am Ausgange des 16. Jahrhunderts waren daher mehr als 
drei Viertel aller Deutschen Anhänger Luthers. Das wurde jedoch bald anders. 
1608 standen sich beide Parteien wieder feindlich gegenüber. Zwei junge 
katholische Herzöge, Ferdinand von Steiermark und Maximilian von Bayern, 
brannten vor Begierde, die lutherische Ketzerei auszurotten. Ferdinand äußerte 
b- B., er wolle lieber Land und Leute verlieren, lieber ant Bettelstäbe mit 
Weib und Kind ins Elend wandern und fein Brot vor den Thüreu betteln, 
als die Ketzerei noch länger dulden. Deshalb zog er mit bewaffneten Scharen 
umher, schloß die protestantischen Kirchen, verbrannte die lutherischen Bücher 
und Bibeln und führte überall den katholischen Gottesdienst wieder ein 
"Besser eine Wüste, als ein Land voll Ketzer," war fein Wort. Fünf Jahre 
dauerte der Vernichtungskrieg; über 40000 Bibeln wurden verbrannt, die 
evangelischen Kirchen niedergerissen, mit Kanonen zusammengeschossen oder mit 
Pulver gesprengt, Pfarrer und Lehrer verjagt oder aufgeknüpft. Auch Maximilian 
von Bayern griff bald zur Gewalt. In der Reichsstadt Donauwörth hatte 
das Kloster eine Prozession ausgeführt, wobei die Teilnehmer von den Pro¬ 
testanten verhöhnt wurden. Dafür that der Kaiser die Stadt in die Reichsacht 
und übertrug deren Ausführung dem Bayernherzoge Maximilian. Dieser er¬ 
oberte die Stadt, behielt sie für sich unb führte den katholischen Gottesdienst 
wieder ein. Da schlossen die protestantischen Fürsten Süddeutschlands, dazu 
auch 15 Reichsstädte, 1608 ein Schutzbündnis, die Union. Dagegen bildete 
Maximilian von Bayern mit den katholischen Fürsten Süddeutschlands, be¬ 
sonders den Bischöfen und Erzbischöfen, 1609 die katholische Liga. So standen
	        
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