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ins Land und unterwarfen dasselbe. Nun kam es 1795 zur dritten Teilung
Polens, durch welche dem polnischen Reiche ein Ende gemacht wurde. In
ihr bekam Preußen das Land östlich und südlich von Ostpreußen, Neuostpreußen
mit der Hauptstadt Warschau, das es jedoch 1815 wieder an Rußland abtrat.
Friedrich Wilhelm II. starb 1797 nach nur 11 jähriger, wenig segensreicher
Regierung zu Potsdam. Er hatte weder den Ruhm Friedrichs II. gewahrt,
noch das Vertrauen und die Liebe des Volkes besessen.
XI. Das Zeitalter -er französischen Revolution und der
Befreiungskriege.
A. Die französische Revolution.
1. MrfßdjCtt. Während das preußische Volk unter ber weisen Regierung
Friedrichs des Großen sich sicher und glücklich fühlte, hatten Frankreichs letzte
Könige sich immer weniger um die Wohlfahrt ihres Landes und Volkes ge¬
kümmert. Schon Ludwigs XIV. Raubkriege, sein VerschwenderischesLeben, die
zahlreichen Prachtbauten in und um Paris, der Bau zahlreicher Festungen an
der Nord- und Ostgrenze des Reiches hatten das Land iu ungeheure Schulden
gestürzt. Als er 1715 nach 68 jähriger Regierung starb, frohlockte das Volk
über seinen Tod, und der Pöbel von Paris begleitete seinen Leichenzug mit
lauten Verwünschungen. Sein Nachfolger Ludwig XV. (1715—1774), sein
Urenkel, wandelte in denselben Wegen, gab durch ein sittenloses Leben dem
Volke ein schlechtes Beispiel und vermehrte die Staatsschulden durch grenzen¬
lose Verschwendung. Beide Könige regierten zusammen 131 Jahre. Während
ihrer Regierung war ein tiefes sittliches Verderben im ganzen Lande ein¬
gerissen; Religion und gute Sitte wurden verspottet und verachtet, der Glaube
an Gott als eine Thorheit verlacht. Es galt für vornehm und gelehrt, seinen
Glauben zu verleugnen, die Lehren des Christentums zu verspotten und ein
Gotteslästerer zu werden. Dazu erzählten geistreiche Männer, Dichter und
Gelehrte, in ihren Schriften dem Volke viel von der Gleichheit aller Menschen.
Dadurch erwachte im Volke nach und nach eine unbesiegbare Sehnsucht nach
Freiheit und Gleichheit. Man wollte befreit sein von dem unerhörten Steuer¬
drücke, der aus dem Volke lastete; denn die Staatsschulden hatten die ungeheure
Höhe von 4000 Millionen Franken erreicht und wuchsen mit jedem Jahre um
mehr als 100 Millionen. Dazu kam, daß diese Steuern nur von einem
Stande, dem der Bürger und Bauern, bezahlt wurden, während die beiden
reichen Stände, Adel und Geistlichkeit, die fast zwei Drittel vom Grund und
Boden befaßen, von den meisten Abgaben nnd Steuern befreit waren. Dazu
erhielten sie alle hohen Ämter, denn diese waren käuflich; wer das meiste Geld
bezahlte, erhielt sie. Die notwendigsten Lebensmittel wurden dem armen Manne
durch hohe Zölle verteuert. Doch war die Steuerlast nicht die einzige Last,
unter der der Bauer seufzte. Er mußte noch immer für den Adel die schwersten
Frondienste leisten, für Benutzung der Brücken und Wege hohen Zoll zahlen,
durfte das Getreide nur in des Adeligen Mühle mahlen, das Brot nur in
dessen Ofen backen. Die Bauern lebten daher im größten Elende; Tausende