Full text: Vaterländische Geschichtsbilder

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nämlich alle Länder zwischen Elbe und Rhein, sowie die in der 2. und 
3. Teilung Polens gewonnenen Gebiete und die Stadt Danzig, so daß es 
von ehemals 10 Millionen Einwohnern nicht ganz 5 Millionen behielt. 
Außerdem mußte es 140 Millionen Franken Kriegskosten bezahlen, doch sollten 
die preußischen Provinzen und Festungen so lange von den Franzosen besetzt 
bleiben, bis die Kriegsschuld getilgt war. Durch diese Besatzung wurden noch 
beinahe 1000 Millionen Franken aus Preußen erpreßt. Die drückendste Bestim¬ 
mung aber war die Verpflichtung, fortan nur ein Heer von 42000 Mann unter¬ 
halten zu dürfen. Durch diese Bestimmung wollte Napoleon verhindern, daß sich 
Preußen jemals gegen ihn erheben könne. Von den Bewohnern der abgetre¬ 
tenen Provinzen nahm der König in wahrhaft väterlicher Weise Abschied. Er 
schloß seine Ansprache mit den Worten: „Das Schicksal gebietet, der Vater 
scheidet von seinen Kindern; ich entlasse euch aller Unterthanenpflicht gegen 
mich und mein Haus. Unsere heißesten Wünsche begleiten euch zu eurem 
neuen Landesherrn; seid ihm, was ihr mir wäret! Euer Andenken kann 
kein Schicksal, keine Macht aus meinem und der Meinigen Herzen vertilgen!" 
Napoleon schaltete nun nach Belieben in Deutschland. Sachsen ward, ob¬ 
gleich es gegen ihn gestritten, durch einige Landstriche auf Kosten Preußens 
vergrößert und zum Königreiche erhoben. Die ehemals polnischen Besitzungen 
Preußens (mit Ausnahme Westpreußens) erhob er zu einem Herzogtume 
Warschau, das er dem Könige von Sachsen übergab. Auch Danzig wurde 
Preußen genommen und zur Freistadt mit französischer Besatzung erhoben. 
Den Kurfürsten von Hessen-Kassel vertrieb er von Land und Leuten, ebenso 
den Herzog von Braun schweig. Aus Hessen-Kassel, Braunschweig, dem süd¬ 
lichen Hannover und den von Preußen abgetretenen Landesteilen zwischen 
Elbe und Rhein bildete er das Königreich Westfalen mit der Hauptstadt 
Kassel, das er seinem jüngsten Bruder Jerome verlieh. Nun traten alle 
deutschen Staaten mit Ausnahme von Preußen und Österreich dem Rheinbünde 
bei. — In Europa stand nur England Napoleon feindlich und unbesiegt 
gegenüber; ja die englische Flotte unter Nelson hatte die seinige bei Tra¬ 
falgar (Südküfte Spaniens) völlig geschlagen und vernichtet. Da beschloß 
er, Englands Handel, durch den es reich und mächtig geworden war, zu 
brechen. Deshalb befahl er, daß alle Häfen des europäischen Festlandes den 
englischen Schiffen gesperrt werden sollten. Diese Sperre, 1806 von Berlin 
aus angeordnet, nennt man die Festlands- oder Kontinentalsperre. Auch 
Preußen und Rußland mußten ihr beitreten. Dadurch erwuchs nicht nur Eng¬ 
land, sondern auch den gesperrten Ländern großer Schaden (inwiefern?), doch 
kümmerte das Napoleon nicht. 
Die preußische ßöntgsfamüte im Unglück. Die Königin Luise hatte 
ihren Gemahl ins Feldlager begleitet. Erst am Tage vor der Niederlage 
von Jena und Auerstädt verließ sie ihn in Weimar und reiste nach Berlin. 
Hier war sie jedoch bald nicht mehr sicher; sie mußte mit ihren Kindern 
weiter flüchten. In Küstrin traf sie mit ihrem unglücklichen Gemahle zu¬ 
sammen. Gemeinsam setzte dann die Königsfamilie ihre Flucht nach Königs¬ 
berg fort. Aufregung und Sorge um das Vaterland, besonders der Schmerz 
über die schmachvolle Feigheit der meisten preußischen Heerführer warf die 
edle Königin aufs Krankenlager. Bald bot auch Königsberg keine Sicherheit 
mehr, denn das französische Heer kam näher und näher. In einer der käl-
	        
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