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wohnten in Oberdeutschland und im östlichen Niederdeutschland. Sie
zeigten eine gewisse Beweglichkeit, Wanderlust und Neigung zur Auf¬
nahme fremder Kultur. Die wichtigsten waren die Markomannen,
Langobarden, Burgunder, Gepiden, Vandalen, Goten.
3. Charakter und Sitten. Die Germanen erscheinen als ein
einfaches Naturvolk, an ein seßhaftes Leben und den Ackerbau bereits
gewöhnt, aber mit den Bedürfnissen eines verfeinerten Lebens noch
unbekannt.
a) Äußerliche Merkmale. Allen germanischen Stämmen ge¬
meinsam ist der gewaltige, schlanke, durch Übung gestärkte Körper
und der milde Ausdruck des Gesichts. Blaue Augen und blon¬
des Haar waren nicht so allgemein. Die Kleidung bestand aus
einem Wams oder aus Tierfellen. Ihre Häuser waren aus
Holz und Lehm erbaut und lagen einzeln. Die Früchte des
Feldes, frisches Wild, geronnene Milch, sowie ein aus Gerste
und Weizen gebrautes Bier waren ihre Nahrung.
b) Charaktereigenschaften. Als hervorstechende Tugenden
werden gerühmt dje Keuschheit und die Verehrung der Frauen,
die Gastfreundschaft, Treue und mannhafte Tapferkeit, die Wahr¬
heitsliebe und Offenherzigkeit. Ihnen gegenüber werden uns
als Schattenseiten germanischen Wesens berichtet: die Trunksucht
und Spielwut, die Blutrache und die Neigung zu individueller
Freiheit, die einer festen Machtentwickelung des Volkes hinder¬
lich war.
4. Kriegswesen. Während der Feldbau den Frauen und Sklaven
überlassen blieb, betrieben die Männer die Jagd und vorzüglich das
Kriegshandwerk.
a) Die Hauptwaffen waren die Framea (eine Lanze) und ein
Schild; auch Wurfspeere kamen vor.
b) Die Kampfesweise war kaum eine Taktik zu nennen. Die
Hauptstärke lag im Fußvolk. Hinter der keilförmigen Schlacht¬
reihe folgte die Wagenburg. Der Angriff geschah unter Geschrei.
c) Dienstpflicht. Jeder Freie war verpflichtet, die Waffen zu
führen. Die Wehrhaftigkeit war das heiligste Recht des Mannes.
ä) Eigentümlich war dem Germanentums das Gefolgschafts¬
wesen. Ein unternehmungslustiger, tapferer Fürst sammelte