202
ihm die deutschen Landsknechte hervorgingen, so war das Selbst¬
bewußtsein der Bauern gestiegen, und es bildeten sich geheime
Bündnisse („Bundschuh," „arme Konrad"), in denen sich der
Haß gegen Adel und Geistlichkeit aussprach.
L. Die Wissenschaft. Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts
bemächtigte sich ein tiefgehender Bildungsdrang des Volkes, der
namentlich auf der Tüchtigkeit des Bürgertums beruhte, durch die
Buchdruckerkunst Befriedigung fand und mit den neuen Entdeckungen
noch gesteigert wurde. Diese beginnende Aufklärung ließ aber häufig
Zweifel au den damaligen kirchlichen und sozialen Zuständen laut
werden.
a) Die litterarischen Erzeugnisse jener Zeit sind daher voll
bitteren Spottes über jene Zustände (z. B. Seb. Brandts
„Narrenschiff," Reinecke Vos, Eulenspiegel).
d) Der Humanismus nahm ebenfalls eine kirchenfeindliche
Richtung an. (Erasmus' Lob der Narrheit; „Briefe der
Dunkelmänner," zu deren Verfassern der Ritter und Humanist
Ulrich von Hutten gehört.)
C. Die Kirche. Auch ans kirchlichem Gebiete bestand seit
längerer Zeit der Wunsch nach einer Besserung der Verhältnisse.
a) Die Konzilien zu Konstanz und Basel hatten das Verlangen
nach einer „Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern"
nicht ganz befriedigt.
b) War schon seit dem großen Kirchenschisma (1378—1414) die
Ehrfurcht vor dem päpstlichen Namen geschwunden, so sank das
Ansehen der Päpste noch mehr unter Alexander VI., Julius II.
und Leo X.
c) Die Zucht war im Klerus vielfach verfallen. Während die
höhere Geistlichkeit oft keine Scheu trug, ihren übergroßen
Reichtum in einer die ernsteren Gemüter verletzenden Weise zu
offenbaren, wandte sich der ärmere niedere Klerus Erwerbs¬
zweigen zu, die mit seinem Berufe unverträglich waren; dabei
war die Bildung der Geistlichen häufig hinter den Anforderungen
der Zeit zurückgeblieben.
d) Die Scholastik war in Spitzfindigkeiten ausgeartet. Die ein¬
fachen Wahrheiten der Religion blieben dem Laien unverständlich.
e) Wie sehr darum auch im niederen Volke die Unwissenheit um