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er an verschiedenen Orten vergeblich Heilung suchte. Darum übertrug
er am 7. Oktober 1858 seinem Bruder, dem Prinzen Wilhelm von
Preußen, die Regentschaft. Am 2. Januar 1861 erlöste der Tod
den König von seinen Leiden.
Die Bedeutung der Regierung Friedrich Wilhelms IV. liegt
darin, daß unter ihm der Übergang vom ständisch vertretenen zum konstitutio¬
nellen Staate stattfand. Wenn dieser Übergang sich verhältnismäßig leicht
und schnell vollzog, so ist die Ursache davon nicht znm geringsten in dem
friedliebenden, edlen, hohen Charakter des Königs zu suchen.
Aokgen der französischen Februarrevolution in andern Ländern.
Wie in Preußen und Deutschland, so äußerte auch in Österreich, Ungarn
und Italien die französische Revolution ihre Rückwirkung. Es brachen überall
blutige Ausstände aus. Die Niederwerfung derselben war nicht ohne Einfluß
auf die Gestaltung der deutschen Angelegenheiten; denn Österreich erhielt da¬
durch freie Hand, Preußen die moralische Niederlage von Olmütz zu bereiten
(siehe S. 347).
a) Österreich. Hier strebten die unter dem Hause Habsburg vereinigten
Stämme nach größerer Selbständigkeit; auch die Lombardei und Ve-
netien hatten sich erhoben. In Wien verlangte das Volk eine konsti¬
tutionelle Verfassung und Preßfreiheit. Der König gewährte das Ver¬
langte und berief nach Wien eine konstituierende Nationalversammlung.
Metternich, der sein rückschrittliches System auf einmal zertrümmert
sah, dankte ab und floh nach England. Die Slaven waren mit den
Bewilligungen aber noch nicht zufrieden und beriefen einen Kongreß
nach Prag. Hier kam es zu einem Aufstande, der mit Kanonen über¬
wältigt wurde. Auch Wien, wo in einein Pöbelaufstande der Kriegs¬
minister ermordet worden war, mußte mit Gewalt unterworfen werden.
Da dankte der Kaiser Ferdinand zu Gunsten seines Sohnes Franz
Joseph ab, 2. Dezember 1848.
b) Ungarn. Die Ungarn waren von dem Journalisten Ludwig Kossuth
aufgewiegelt worden und verlangten die Unabhängigkeit von Öster¬
reich. Der Kaiser bewilligte ihnen einen Reichstag und die Vereinigung
der ungarischen Nebenländer (Kroatien, Slavonien, Siebenbürgen) mit
Ungarn. Dagegen erhoben sich aber die Südslaven unter dem Banus
Jellachich von Kroatien, während der ungarische Reichstag die Aner¬
kennung Franz Josephs verweigerte, so lange er nicht als König von
Ungarn gefrönt fei. Der österreichische General Windischgrätz konnte
gegen die Ungarn nichts ausrichten. Sie trotzten der Gewalt und
wählten Kossuth zum Präsidenten. Da erhielt Österreich von Rußland
' Hilfe. Der tapfere ungarische Feldherr Görgei mußte sich zurückziehen
und die Waffen strecken. Die neue Verfassung wurde wieder aufge¬
hoben. Kossuth und andere Führer hatten sich geflüchtet.