Full text: Die Weltgeschichte in Uebersichten und Schilderungen der wichtigsten Begebenheiten vom Wiener Congreß bis zur Wiederherstellung des deutschen Kaiserreichs (Bd. 4)

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und das Recht der Steuerbewilligung, also politische und persön¬ 
liche Freiheit. Sie hatten erkannt, daß sie nicht der willenlos lei¬ 
dende Theil des Staates sein müssen, sondern der bestimmende. 
Als in Wien der Congreß gehalten wurde, suchten sich 
Fürsten und hoher Adel einander durch glänzende Festlichkeiten 
zu übertreffen; diese kosteten dem Wiener Hofe allein 30 Mill. 
Gulden. Nebenbei hielten Minister Berathungen, um Europa's 
Länder zu vertheilen und die Schicksale der Völker zu bestimmen, 
ohne diese zu fragen. Rußland verlangte das Herzogthum War¬ 
schau, Preußen ganz Sachsen. Die anderen Mächte waren dagegen; 
beide Parteien rüsteten, und es schien zum Kriege zu kommen. Da 
kehrte Napoleon von Elba zurück und man einigte sich schnell, 
um gemeinsam gegen ihn Krieg zu führen. Rußland erhielt den 
größten Theil von Warschau, Preußen halb Sachsen. Preußens 
Gebiet wurde aber durch andre Staaten getrennt, lag also sehr 
ungünstig, da ihm die Nachbarn den Durchzug sperren konnten, 
wenn Preußen z. B. von den östlichen Provinzen Truppen nach 
den westlichen senden wollte. Es ward für Preußen also Lebens¬ 
bedingung, Norddeutschland zu besitzen oder dort solchen Einfluß 
zu erhalten, daß ihm die Militärstraßen stets offen standen. Die 
Annexionen von 1866 waren also unvermeidliche Folgen der 
Metternichschen Politik und des sinnlosen Wiener (Songreffes. 
Dagegen nahm Oesterreich unter andern Oberitalien an sich, brachte 
Mittelitalien an Verwandte und sicherte sich in Unteritalien ma߬ 
gebenden Einfluß. Selbst der Kirchenstaat hing von Oesterreich 
ab, welches hier die Revolution niederschlug. Klüglich nahm 
Oesterreich die deutsche Kaiserwürde nicht an, welche die kleinen 
Fürsten und Standesherren an das Haus Habsburg übertragen 
wollten, denn die deutschen Könige waren dagegen, und Metternich 
begnügte sich, den deutschen Bund zum Schutze Oesterreichs zu 
verpflichten und den Vorsitz bei der Bundesversammlung zu führen. 
Der Vorschlag Steins, daß an der Bundesversammlung auch die 
Vertreter der Landstände sollten Theil nehmen, ward abgewiesen, 
ebenso gönnte Oesterreich dem deutschen Bunde die Aufnahme des 
Elsaßes in den Bund nicht aus Eifersucht gegen Preußen. Die 
Uneinigkeit ward durch die Bundesverfassung zum Gesetz und zur 
Regel gemacht. 
Die Verhandlungen über den Neubau Deutschlands gingen 
sehr langsam unb endeten damit, denselben so lose als möglich zu 
machen. Ueber die versprochenen Verfassungen ward nur bestimmt, 
daß ,,in allen deutschen Staaten eine landständische Verfassung 
bestehen soll", doch Baiern setzte es durch, daß dieser Paragraph 
lautete: „eine landständische Verfassung wird stattfinden," Damit 
fand man das deutsche Volk ab. Der Papst endlich protestirte 
gegen die ganze Bpndesgkt^ El er in alle seine alten Be-
	        
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