40
5. Drum sei nicht stolz, o Menschenkind!
Du bist dem Tod wie Spreu im Wind,
und magst du Kronen tragen.
Der Sand verrinnt, die Stunde schlägt,
und eh' ein Hauch dies Blatt bewegt,
kann auch die deine schlagen!
33
V
E. Geibel.
Deutschland im Anfang des 30 jährigen Krieges.
Deutschland galt um das Jahr 1618 für ein reiches Land.
Zahlreiche, blühende Städte bildeten die Wohnsitze eines kräftigen
Bürgerstandes. Fast jede derselben schloß sich durch Wall, Graben
und hohe Mauern mit Türmen und starken Thoren gegen das
offene Land ab. Im Innern aber waltete ein freundlicher und
freudiger Geist des Schaffens und Gedeihens. Die gotischen
Kirchen mit den himmelanstrebenden Pfeilern und Türmen waren
schon früher errichtet. Jetzt arbeitete der fromme Sinn weiter an
ihrer zierlichen inneren Ausstattung durch Familienkapellen, Grab—
mäler, Sakramentshäuschen. Daneben hatte man die Baukunst
auch dem bürgerlichen Leben dienstbar gemacht. Allerwärts erhoben
sich würdige Rathäuser mit hohen Hällen. Ihnen zur Seie er
standen geschmackvolle Gebäude für den geschäftlichen und geselligen
Verkehr der Kaufleute und Zünfte. Die Wohlthätigkeit schuf
ansehnliche Spitäler und Siechenhäuser. Wasserleitungen und
kunstvolle Brunnen gereichten manchen Städten zu Nuß und Zier—
Die Straßen waren meist gepflastert und mit Wasserrinnen ver
sehen. Aber auch die private Bauthätigkeit regte sich In Ober—
deutschland hatten die wohlhabenden Bürger durchweg Steinhäuser,
die nicht mehr mit Schindeln, sondern mit Ziegeln gedeckt waren.
Die innere Einrichtung der Wohnungen war zwar noch ein—
fach, aber behaglich. Überall sah man jetzt statt bloßer Läden
oder Papierbogen Glasfenster, aus kleinen, in Blei gefaßten
Butzenscheiben bestehend. Die unteren Wandteile der großen,
sauberen Zimmer zeigten kostbares Getäfel, während die oberen
bei festlichen Gelegenheiten mit gewirkten oder gestickten Teppichen
geschmückt wurden. —
Noch war Handwerk und Handel in starkem Gedeihen. Zwar
im Großverkehr mit dem Auslande hatte Deutschland bereits
viel verloren. Der Glanz der Hansa war längft verblichen
Italiener, Franzosen und besonders Niederländer waren gefähr⸗
liche Nebenbuhler geworden; auf der Ostsee latterten schwedische,
dänische und holländische Flaggen schon fröhlicher, als die von
Lübeck und den Ostseehäfen; der Verkehr mi den beiden Indien
lief in neuen Straßen. Aber noch hatte der deutsche Heringsfang