Full text: Römische Geschichte (Abt. 2)

122 Vierter Zeitraum. — § 44. Geistesleben und Sittenzustände usw. 
wachsen dieser in die alte Bildung einerseits, Wandlung der alten 
Denkweise durch Christentum und Germanentum anderseits. 
In dem unbeschränkten Kaisertum war kein Raum für Be¬ 
teiligung des Volkes am staatlichen Leben. Der Freiheitsdrang 
erlosch ebenso vollständig wie die Vaterlandsliebe; höfische Kriecherei 
stellte sich in der Nähe des Hofes und seiner Beamten ein (Byzan¬ 
tinismus). Weitverbreitete^wirtschaftliche Not weckte die Sehnsucht 
nach besseren Zuständen und Empfänglichkeit für Aufnahme des 
Christentums. Von irdischen Zielen wendete man sich zu himmlischen: 
Übergang zur mittelalterlichen Hnscbauung — der Hingabe 
des Gemütes an das Übersinnliche. 
II. Die Stände. Das niedere Volk war verarmt. In 
den Stürmen der Völkerwanderung herrschte furchtbares Elend, be¬ 
sonders im Westen des Reichs. Aus dem Lande bildete sich der 
Gegensatz von gutsherrlichen Grundbesitzern und halbfreien, an¬ 
gesessenen Kolonen heraus. In der Stadt entstanden bei strenger 
Durchführung der Teilung der Arbeit Zünfte, die vom Kaiser 
bestätigt und durch Beamte überwacht wurden. Gewerbe und 
Handel nahmen bei der christlichen Anschauung von dem Werte 
der Arbeit, besonders in den Seestädten, noch einmal einen gewissen 
Aufschwung, sanken aber in der Kriegsnot herab. 
Die Beamten übten, geschützt durch deu Namen des Kaisers, 
vielfach harten Druck auf die Untertanen ans und bereicherten sich 
auf deren Kosten (Empörung der Westgoten). Der Steuerdruck 
wuchs ins Unerträgliche. 
Die Kirche, wo vom Hofe abhängig, bewahrte (namentlich in 
Ostrom) die Demut und Sittenstrenge der ältesten Gemeinden nicht. 
Unter den hohen Geistlichen waren viele prunksüchtig und hoffärtig 
(vgl. dagegen Ambrosius von Mailand und Augustinus). Auch der 
Gottesdienst wurde prunkvoller gestaltet. 
Der Glaubenskampf, für den die alte Bildung die Waffen 
lieferte, wurde oft zur Glaubenszänkerei und führte zur Unduld¬ 
samkeit. Kampf gegen die nichtkatholischen Arianer (zum großen 
Teil Germanen). 
Der Hof hielt sich anfänglich im ganzen sittenrein, verfiel aber 
in Ostrom bei der Erstarrung der griechischen Kirche allmählich 
unter üppigem und hohlem Formenwesen; die innere Fäulnis wurde 
von äußerer pomphafter Prachtliebe nur notdürftig verdeckt. 
III. Sitte. Die heidnische Weltlust wurde durch das Christen¬ 
tum gezügelt und verkehrte sich schließlich zur Weltentsagung. Die 
ersten Mönche in Ägypten. Zu den Kirchen, die sich über den
	        
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