A. Karls Persönlichkeit.
Auszüge aus LinharÖ, Leben Karls des Großen. Kap. 22—27.1
Kap. 22. Karl mar von breitem unö kräftigem Körperbau, hervor¬
ragender Größe, öie jedoch das richtige Maß nicht überschritt — denn seine
Länge betrug, wie bekannt, sieben seiner Füße. — Der obere Teil seines
Kopfes war rund, feine Bugen sehr groß und lebendig, die Nase ging etwas
über das Mittelmaß, er hatte schöne weiße haare und ein freundliches und
heiteres Gesicht. So bot seine Gestalt, mochte er sitzen oder stehen, eine
höchst würdige und stattliche Erscheinung, wiewohl sein Nacken dick und
zu kurz, fein Bauch etwas herabhängend scheinen konnte - das Ebenmaß
der anderen Glieder verdeckte das. Er hatte einen festen Gang, eine
durchaus männliche Haltung des Körpers und eine helle Stimme, die
jedoch zu der ganzen Gestalt nicht recht passen wollte. Seine Gesundheit
war gut, außer daß er in den vier Jahren vor seinem Tode häufig von
Fiebern ergriffen wurde und zuletzt auch mit einem Fuße hinkte. Aber
auch damals folgte er mehr feinem eigenen Gutdünken als dem Rate
der Ärzte, die ihm beinahe verhaßt waren, weil sie ihm rieten, dem
Braten, den er zu speisen pflegte, zu entsagen und sich an gesottenes
Fleisch zu halten. Beständig übte er sich im Reiten und Jagen, wie es
die Sitte seines Volkes war; denn man wird nicht leicht ein Volk auf
Erden finden, das sich in dieser Kunst mit den Franken messen könnte.
Sehr angenehm waren ihm auch die Dienste der warmen Quellen; er
übte feinen Leib fleißig im Schwimmen und verstand das so vortreff¬
lich, daß es ihm feiner darin zuvor tat. Daher erbaute er sich auch zu
stachen ein Schloß und wohnte in feinen letzten Lebensjahren bis zu
feinem Tod beständig darin. Und nicht bloß seine Söhne, sondern auch
die vornehmen und seine Freunde, nicht selten auch die ganze Schar
seines Gefolges und seiner Leibwächter lud er zum Bade ein, so daß
bisweilen 100 Menschen und darüber zusammen badeten.
Kap. 25. Er kleidete sich nach vaterländischer, nämlich fränkischer
Weise, stuf dem Leibe trug er ein leinenes Hemd und leinene Unter-
1 Einhardi Vita Karoli Magni, ed. Holöer-Lgger 1911, S. 26ff., Kap. 22ff.
flbel, Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, 9. IHÖ. Bö. 1, S. 43ff. Über Lin¬
hard, den Bauleiter und Biographen Karls, vgl. hauck, Kirchengeschichte Deutsch¬
lands Bö. II4, 1912, S. 182ff. und Kurze, Linhard, Berlin 1900.