3. Stimmung in Deutschland. — 4. Thronrede 5
wenn nichtsdestoweniger Kriegsdrohung unL, Kriegsgefahr den ver¬
bündeten Regierungen die Pflicht auferlegt haben, Sie zu einer außer¬
ordentlichen Session zu berufen, so wird in Ihnen wie in Uns die Über¬
zeugung lebendig fein, daß der Norddeutsche Bund die deutsche Volks¬
kraft nicht zur Gefährdung, sondern zu einer starken Stütze des allge¬
meinen Friedens auszubilden bemüht war, und daß, wenn wir gegen¬
wärtig diese Volkskraft zum Schutze unserer Unabhängigkeit aufrufen,
wir nur dem Gebote der Ehre unö der Pflicht gehorchen.
Die spanische Thronkandidatur eines deutschen Prinzen, deren Auf¬
stellung und Beseitigung die verbündeten Regierungen gleich fernstan¬
den, und die für den Norddeutschen Bund nur insofern von Interesse
war, als die Regierung jener uns befreundeten Nation daran die Hoff¬
nung zu knüpfen schien, einem vielgeprüften Lande die Bürgschaften
einer geordneten und friedliebenden Regierung zu gewinnen1, hat dem
Gouvernement des Kaisers der Franzosen den vorwand geboten, in
einer dem diplomatischen Verkehr seit langer Zeit unbekannten weise
den Kriegsfall zu stellen und denselben auch nach Beseitigung des vor-
tvandes2 mit jener Geringschätzung des Anrechtes der Völker auf die
Segnungen des Friedens festzuhalten, von welcher die (Beschichte früherer
Beherrscher Frankreichs analoge Beispiele bietet.
hat Deutschland derartige Vergewaltigungen seines Rechts und sei¬
ner (ihre in früheren Jahrhunderten schweigend ertragen, so ertrug es
sie nur, weil es in seiner Zerrissenheit nicht wußte, wie stark es war.
heute, wo das Band geistiger und rechtlicher (Einigung, welches die Be¬
freiungskriege zu knüpfen begannen, die deutschen Stämme je länger,
desto inniger verbindet, heute, wo Deutschlands Rüstung dem Feinde
keine Öffnung mehr bietet, trägt Deutschland in sich selbst den willen
und die Kraft der Abwehr erneuter französischer Gewalttat.
(Es ist keine Überhebung, welche ITtir diese Worte in den Mund legt.
Die verbündeten Regierungen, wie Ich selbst, wir handeln in dem
vollen Bewußtsein, daß Sieg und Niederlage in der Hand des Lenkers
der Schlachten ruhen, wir haben mit klarem Blicke die Verantwortlich¬
keit ermessen, welche vor den Gerichten Gottes und der Menschen den
trifft, der zwei große und friedliebende Völker im herzen (Europas zu
verheerenden Kriegen treibt.
Das deutsche und das französische Volk, beide die Segnungen christ¬
licher Gesittung und steigenden Wohlstandes gleichmäßig genießend und
begehrend, sind zu einem heilsameren Wettkampfe berufen als zu dem
blutigen der Waffen. Doch die Machthaber Frankreichs haben es ver-
1 Dgl. heft I: 15, S. 23.
2 flm 12. Iuli hatte Prinz Leopold der Kandidatur entsagt, „fest entschlossen,
eine untergeordnete Familienfrage nicht zu einem Kriegsoorroanbe heranreifen
zu lassen".