Land u. Leute. — 73. Im Hamburger Hafen.
87
Auf einem großen, freien Platz vor den großen Speichern stand
Eine riesige Maschine aus schwarzem Eisen. Sie sah aus wie ein in
den Boden gepflanzter Elefantenrüssel, unten dick, oben dünner zulaufend,
und wie ein Elefantenrüssel bog sie sich hin und her. Von ihrer Spitze
gingen Letten herab. Plötzlich, nachdem sie sich suchend umgedreht hatte,
es mir vorkam, erhob sie einen ungeheuren Stapel großer Kisten in
die Luft, schwenkte sie herum und setzte sie mit einem großen Bogen
oben in die Speicherluke. Cs war famos.
„Das ist der Riesenkran," sagte Onkel, „er kann zwei Lokomotiven
ouf einmal in die Höhe heben, das ist 'n Kerl, was?"
4.
Am Amerikahöft stiegen wir aus.
„Na, ihr seid ja ordentlich blau gefroren," sagte Onkel, „dann
kommt mal erst mit in die Kaffeehalle."
In der großen Holzhalle war es angenehm warm nach dem eisigen
Winde auf der Elbe, und voller Menschen war es auch. Der steinerne
Fußboden war so voll Schlamm wie die Straße, obgleich es noch früh
om Morgen war.
Wir setzten uns an einen der langen Tische auf eine Bank, und
^nrel Hein ließ uns jedem eine große Tasse Fleischsuppe und ein Rund-
stück geben. Es war sehr billig und schmeckte sehr gut.
„Das ist 'ne Wohltat, diese Halle," sagte Onkel, „da können doch
die Leute alle, wenn sie oerklammt und hungrig sind, sich 'n bißchen auf-
tnunlern. Das ist aber auch die einzige Wirtschaft im Freihafen, diese
Halle hier."
„Warum gehen denn die Arbeiter nicht zu Mittag nach Haus?"
fragte ich Onkel.
„Nach Haus? Ach lieber Gott, wo denkst du wohl hin! Für die
leisten wär' das viel zu weit, die wohnen ja ganz draußen, wo. die Mieten
n bißchen billiger sind. Und wie viele fremde Arbeiter gibt es hier,
die haben überhaupt bloß 'ne Schlafstelle und weiter gar nichts! Keine
Familie, keine kleine Stube, wo sie sagen können, dies ist nun meine
Stube! Heute arbeiten sie in Hamburg, und morgen, wenn sie nichts
3» tim finden, dann müssen sie nach Stettin meinetwegen oder nach Kopen¬
hagen oder nach London, daß sie wieder Arbeit finden. Die sjnd da
böse dran."