Das Zeitalter der Renaissance und der
Glaubenskämpfe.
I. Die Renaissance
1. Renaissance und Humanismus.
Das neugewonnene Verständnis für die Bildungsschätze des
griechisch-römischen Altertums, das der Ausdruck „Renaissance" zu¬
nächst bezeichnet, bildet bloß eine Seite des im 15. Jahrhundert auf¬
steigenden neuen Kulturideals, wenn auch wohl die bedeutendste.
Denn auf dem Boden antiker Kultur blühte ebenso die natur- wie die
geisteswissenschaftliche Forschung auf und führte in Verbindung mit
den Erfindungen und Entdeckungen jener Zeit im Gegensatz zur
Weltverneinung (Askese) des Mittelalters eine dem Diesseits sich zu¬
neigende, wsltbejahende Denkweise herbei. Es entwickelte sich ein neues
Bildungsideal und eine neue europäische Staats- und Gesellschafts¬
ordnung. Durch die Gesamtheit dieser Erscheinungen ist die Re¬
naissancekultur bestimmt. Doch erwächst das Neue durchweg
im Anschluß an die Geisteswelt der Alten, die letzthin aus rein
philologisch-ästhetischem Interesse studiert wurden; die Wiedererweckung
ihrer Literatur, der Humanismus, war zunächst das einzige Ziel
der großen Bewegung und somit nur eine Art Vorstufe der Re¬
naissance. Ein bewußter Gegensatz zum asketisch-mittelalterlichen
Lebensideal war ihr ursprünglich völlig fremd. Selbst die Freude
an dem antiken Kulturgehalte tritt anfangs zugunsten der rein
formalen Seite im Humanismus zurück. Der sprachlichen Schönheit
und Regelmäßigkeit gilt das Streben, und wenn auch spätere Ge¬
schlechter mehr zum Kern der antiken Denkweise vordrangen, so ist
die formal-ästhetische Seite doch insofern von Bedeutung geblieben,
als in der Hochrenaissance die Schönheit zum alleinigen Maßstab
und Ideal des gesamten Lebens werden konnte. Auch der Protestantis¬
mus stand in engem Bunde mit dem humanistisch-formalen Bildungs¬
ideal. Luther nennt die alten Sprachen „die Scheiden, in denen das