II. Luther und die Reformation.
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wie Nürnberg, Alm und Konstanz, hatten feierlich gegen die Unter¬
drückung der neuen Lehre Verwahrung eingelegt. Desto entschiedener
trat Karl V. persönlich 1530 auf dem Augsburger Reichstage
auf, der die endgültige Lösung der Frage in seinem Sinne bringen
sollte: Luthers Ächtung wurde erneuert, die von Melanchthon verfaßte
„Augustana", die geflissentlich die Gegensätze „leisetreterisch" zurück¬
stellte und die gemeinsamen Punkte hervorhob, durch eine katholische
Gegenschrift „widerlegt", die „Apologie" Melanchthons zurückgewiesen,
das Kammergericht von reformfreundlichen Gliedern gesäubert und
angewiesen, die geistliche Gerichtsbarkeit und den alten geistlichen Be¬
sitzstand in den Territorien wiederherzustellen. Damit war der Luther¬
sache die Axt an die Wurzel gelegt. Aber der Plan kam auch diesmal nicht
zur Ausführung. Alsbald bildete sich zu Schmalkalden ein Bund
lutherischer Fürsten, die einander Bekenntnisfreiheit und Besitzstand
gegen etwaige Eingriffe verbürgten und nötigenfalls auch Gewalt
mit Gewalt abzuwehren gedachten. Ja, die Schmalkaldener Stände
verweigerten unter Kursachsens und Lessens Führung sogar die An¬
erkennung der Wahl Ferdinands I. zum römischen König und waren
geneigt, die kaiserliche Macht bloß als Ausfluß der von Gott gesetzten
Landesgewalt anzusehen. Selbst das gutkatholische Bayern schloß sich
der ständischen Einigung vorübergehend an. Auch an Frankreich, an
England, das soeben unter Heinrich VIII. seine Verbindung mit Rom
gelöst hatte, und an die nunmehr ebenfalls dem Luthertum zugewandten
Königreiche Skandinaviens suchte man besonders auf Betreiben des
Landgrafen Philipp von Lessen Anlehnung. Die Osmanengefahr
aber bestand in alter Schärfe; um ihr zu begegnen, bedurfte der
Kaiser der Lilfe der evangelischen Stände, besonders der gewerbe¬
fleißigen Städte, die Geld und Kriegsbedarf lieferten.
So kam es angesichts der außer- und innerpolitischen Verhältnisse
1532 zum Nürnberger Religionsfrieden, demzufolge der
Kaiser jegliche Verfolgung der neuen Lehre bis zu einem allgemeinen
Konzil, das schon das Neichsregiment wiederholt gefordert hatte, zu
unterlassen versprach. Das bestärkte Optimisten von Melanchthons
Art immer wieder in der Hoffnung auf friedliche Verständigung.
Luther hat diese Hoffnung nicht teilen können.
4. Reformation und Volksbewegungen.
Zu dem gleichen Ergebnis, wie es aus der politischen Lage er¬
wuchs, wurde die kirchliche Bewegung auch durch die sozialen
Wirren der zwanziger Jahre gedrängt: die nationale Sache schrumpfte
auch ihnen zufolge zur Angelegenheit der Einzelstaaten zusammen.