III. Die Habsburgische Weltmacht und Frankreich.
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gesellschaftliche Vergnügungen sind durch ihn veredelt worden; immer
und überall klingt durch sein Tagesleben der Grundton ehrlicher
Wahrheit, das Bedürfnis nach Freiheit und prüfender Zucht, der
Zug deutschen Gemütslebens, das froh und leicht ausklingt in Musik
und Lied.
Die Zerstörung des asketischen Lebensideals hatte auch ihre
soziale Bedeutung. Nun war es mit der mittelalterlichen Scheidung
in Geistliche und Laien vorbei; auch der humanistische Zunftdünkel
mit seiner Verachtung der „Ungebildeten" erschien nun engherzig;
den alten Scheidungen tritt das Ideal der allgemeinen Volksbildung
gegenüber; und die Gründer und Äüter der Volksbildungsanstalten
sind nicht mehr die „Schotafter" und Äbte, sondern „die Bürger¬
meister und Ratsherrn", denn der Staat und seine Kulturaufgaben
bedürfen geschulten Nachwuchses. „Wer die Zugend hat, hat die
Zukunft."
An Luthers Sarge sprachen Jonas und Melanchton von den
„armen Waisen, die einen trefflichen Mann zum Vater gehabt und
ihn nun verloren haben". Seine Heftigkeit im Amte sei stets aus
dem Eifer für die Wahrheit geflossen, und nie im Kampf habe er
sein Gewissen verletzt. — Es lebte in Luther etwas, das größer war
als er selber. Er war ein Großer und Freier aus freiem und reinem
Geiste und sein Werk eine aus deutschem Wesen geborene notwendige
Geistestat.
III. Die Entstehung des Gegensatzes zwischen der Habsburgischen
Weltmacht und Frankreich.
Das Zeitalter der Renaissance zeigte nicht nur Neubildungen
auf den Gebieten der Kunst, der Wissenschaft und der Religion, auch
das politische Aussehen der germanisch-romanischen Völkerfamilie des
Abendlandes wurde anders. Das ganze Mittelalter hindurch hatten
die Augustinifchen Vorstellungen von dem die ganze Christenheit um¬
fassenden theokratischen Weltreich alle politischen Denker beherrscht;
die großen Kämpfe drehten sich eigentlich nur darum, wer in dieser
Theokratie die führende Stellung haben solle: geistliche oder weltliche
Gewalt; jetzt stellen sich politische Denker und Staatsmänner die west¬
europäische Völkerfamilie als eine Gesellschaft gleichberechtigter und
voneinander unabhängiger Staaten vor; der Gedanke des euro¬
päischen Gleichgewichts wird im 16. Jahrhundert geboren. In
der Unabhängigkeit vom Kaiser und von den Ständen des eigenen
Landes besteht das Wesen der „Souveränetät", deren Besitz erst einen
Herrscher zum wahren König macht. Diese Vorbedingungen erfüllte