Full text: Vom Zeitalter des Augustus bis zum Westfälischen Frieden (Teil 2 = Klasse 3)

IV. Der Protestantismus in Westeuropa. 
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deutschen und Schweizer Reformierten. Im Kampfe mit den am 
alten Glauben festhaltenden Urkantonen fand Zwingli 1531 in der 
Schlacht bei Kappel den Untergang. Infolge seines frühen Todes 
haben seine Bestrebungen über die deutsche Schweiz hinaus keine 
Bedeutung gewonnen. 
Das von ihm begonnene Werk wurde von dem Franzosen 
Johann Calvin in Genf weitergeführt. Er hatte sein Heimat¬ 
land infolge seiner evangelischen Überzeugungen verlassen müssen; denn 
so unbedenklich Franz I. sich in seiner äußeren Politik der Lilfe der 
deutschen Protestanten bediente, im Innern wollte er die Herrschaft 
der katholischen Kirche streng aufrechterhalten. Am seine Glaubens¬ 
genossen gegen die Verdächtigung zu verteidigen, als seien sie Auf¬ 
rührer und Schwärmer, richtete Calvin an den französischen König 
seine erste große Schrift: „Grundriß der christlichen Religion", in 
der er die gereinigte Lehre in systematischer Klarheit zusammenfaßte. 
Während der Germane Luther am Studium der Schrift die 
persönliche Äeilsgewißheit erlangt hatte und so der Gnade seines 
Gottes froh geworden war, stand für den Romanen Calvin die 
„Souveränetät Gottes", die für ihn in der willkürlichen und un° 
erforschlichen Vorherbestimmung (Prädestination) zum Ausdruck kommt, 
im Vordergrund der christlichen Verkündigung. Dementsprechend ist 
es die Pflicht der zur Seligkeit Berufenen, die Majestät und Herrlich¬ 
keit ihres himmlischen Königs auf Erden zur Darstellung zu bringen. 
Das kann nur durch reinen Wandel nach dem Gesetze Gottes ge¬ 
schehen; der Calvinismus hat daher etwas Starr-Alttestamentliches 
in seinem Wesen. Bezeichnenderweise hat er zunächst keine eigene 
religiöse Dichtung hervorgebracht, sondern sich für den Gemeinde¬ 
gesang im Gottesdienst mit einer Bearbeitung der Psalmen begnügt. 
Alle Einrichtungen in Kirche und Staat sollen dazu dienen, die 
Glieder zu christlicher Lebensführung zu erziehen. Daher waren 
Fragen der Verfassung für Calvin nicht so gleichgültig wie für 
Luther, dem es genügte, „wenn das Wort Gottes lauter und rein 
gelehret wird". Er fand vielmehr in der Schrift eine ganz bestimmte 
Gemeindeverfassung vorgeschrieben: Doktoren, Pastoren und 
Älteste, aus der Wahl der Gemeinde hervorgegangen, sollen gemein¬ 
sam über Lehre und Leben der Glieder wachen und gegen solche, die 
einen unwürdigen Wandel führen, mit strengen Zuchtmaßregeln vor¬ 
gehen. So gelang es, in Genf eine Theokratie zu errichten, die 
an gesetzlicher Äärte wohl mit der mittelalterlichen Inquisition wett¬ 
eifern konnte. 
Calvin wußte seine Anhänger mit dem Bewußtsein zu erfüllen, 
das erwählte Volk Gottes zu sein; Gottes Kämpfe hätten sie auf 
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