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Die Decemvirn (451—449). Zwölftafelgesetz. — Die Plebejer
waren durch Einsetzung der Volkstribunen noch immer nicht zu-
frieden gestellt. Sie verlangten, da die Patrizier allein die Richter,
stellen inne hatten und nur nach Herkommen und Willkür Recht
sprachen, geschriebene Gesetze. Nach langem Widerstreben der
Patrizier wurden endlich Gesandte nach Griechenland, das unter
Perikles in hohem Glanze stand, geschickt, um die dort bestehenden
Gesetze kennen zu lernen. Nach Rückkehr der Gesandten wählte man
zehn Männer ait§> den Patriziern (Decemvirn) zur Ausstellung der
neuen Gesetze. Sie verfaßten dieselben auf zwölf Tafeln, daher der
Name „Zwölftafelgesetz", welches den Anfang, die Grundlage und
Quelle des römischen Rechts bildete. Nur Bruchstücke dieses
Gesetzes sind erhalten geblieben. Die Decemvirn legten nach Beendig
gung der Gesetzgebung ihr Amt nicht nieder, mißbrauchten es viel-
mehr zu erneutem Druck der Plebejer und erregten dadurch deren
Unwillen. Dieser steigerte sich zu offenem Aufstande, als der stolze
Patrizier Appius (Claudius, der an der Spitze der Decemvirn
stand, die schöne Virginia, Tochter des Plebejers Virginius, für die
Tochter einer feiner Sklavinnen erklären ließ und sie als sein Eigen-
tum beanspruchte. Virginius, der wohl merkte, daß sein Kind lebend
aus den Händen des Wüterichs nicht zu retten sei, ergriff in Wut
und Verzweiflung das Messer und stieß es feiner Tochter ins Herz.
Dadurch brachte er bei dem entsetzten Volke eine Empörung zu*
stände. _ Appius Claudius geriet in Gefangenschaft und tötete sich
leibst im Gefängnis; die übrigen Decemvirn entflohen. Das
Decemvrrat wurde nunmehr abgeschafft, und die Plebejer erlangten
rimner weitere Rechte. An Stelle der Konsuln wählte man Kriegs-
Irwunen mit konsularischer Gewalt ohne Berücksichtigung des Standes,
i^tnen gewissen Abschluß erlangten die Streitigkeiten zwischen diesen
beiden ^ Ständen durch die Bemühungen der beiden Tribunen
Uctntus Stolo und Lucius Sextius, welche den Plebejern
Zunstige Gesetze zur Annahme zu bringen wußten. Diese bestimmten.
* . n^uIat Wieder eingerichtet und jedesmal ein Konsul aus
Plebejern gewählt werden, sowie daß kein Bürger mehr als
500 Morgen Staatsländereien besitzen solle, an denen auch den
Pletieiern Anteil gewährt wurde. Nach längerem Widerstände der
Patrizier kam endlich eine Einigung zustande, die etwa um das
ja )r_ 300 eine völlige wurde, indem bis dahin die Plebejer die
Zulassung zu allen obrigkeitlichen Würden und Ämtern mit Ein-
uP „ p ker prtesterlichen erlangten. Von nun an begannen beide
fetani'e als gleichberechtigte Teile des Staates nebeneinander zu
vesteyen und verschmolzen immer mehr miteinander. Diese Eim-
Müller, Weltgeschichte L .