Westfranken, Ostfranken, Italien. Die pseudo-isidorischen Dekretalen. 23
Karl der Kahle erhielt Neustrien, Aquitanien, die spanische Mark und
einen Teil von Burgund; Ludwig alles Land östlich vom Rhein (mit
Ausnahme von Friesland) samt den weinreichen Gauen von Mainz,
Worms und Speier. Diese beiden Reiche hatten ben Vorteil fester Be¬
grenzung und nationaler Einheit unb bamit bie Gewähr dauernden Be¬
standes. Alles dies fehlte dem zwischen diesen beiden liegenden Reiche
Lothars, der mit der Kaiserwürdc Italien und alles Land tion Fries¬
land an ber Norbsee bis zur Provence am mittellänbifchen Meere erhielt.
So war bas einige Reich Karls beS Großen in btei selbstänbige Reiche:
Frankreich (Westsranken), Deutschlanb (Ostsranken) unb Italien getrennt.
§ 50. Das Papsttum. Trotz ber Trennung bes karolingischen Reichs
in 'btei selbstänbige Staaten bemühten sich bie btei Brüder, bie Einheit
des Reiches ausrecht zu erhalten und gaben sich zum Schutze dieser Ein¬
heit die Versicherung gegenseitigen Beistandes gegen äußere Feinde.
Die Geistlichkeit dagegen erkannte, daß mit dem Vertrag von Verdun
die Reichseinheit für immer zu Grabe gegangen war. Für die Nachteile,
welche die Kirche baburch erlitt, schien sich ber beste Ersatz zu bieten,
wenn ber Papst statt bes Kaisers an bie Spitze bet abenblünbischen
Christenheit gesetzt unb burch bie päpstliche Alleinherrschaft bie getrennten
Staaten bes Abenblaubes verbunden würden. Diesem Zweck biente eine
Sammlung von Schreiben römischer Bischöfe und von Konzilienbeschlüssen aus
den ersten Jahrhunderten (die sogen. Pseudo-isidorischm Dekretalen), welche
kurz nach dem Vertrag von Verdun zum Vorschein kam. Darin wird
die Oberherrschaft des Papstes über alle Völker 'und Länder als bereits
bestehend vorausgesetzt und versucht, die Erzbischöfe und Bischöfe von jeder
staatlichen Aussicht (s. § 46) frei zu machen, damit sie ungehindert nur
als Diener des Papstes wirken könnten. Aber zunächst wurde der päpst¬
liche Stuhl ein Spielball der römischen Großen; dann geriet er in völlige
Abhängigkeit von den deutschen Königen. Erst seit der Mitte des 11. Jahr¬
hunderts gelang es geistesktästigen Päpsten, das Papsttum zu einer weit-
nmsassenben Macht zu erheben.
Zweiter Teil.
Deutsche beschichte im Willelaster.
Erster Abschnitt.
Drntschr Kaiser- und Neichsgrschichte.
Kap. 1. Verfall der karolingischen Reiche. Die Karolinger in
Deutschland.
§ 51. Ludwig der Deutsche 843 — 876. Mit ber Aussonderung
ber Stämme beutscher Zunge ans bem Verbanbe bes karolingischen Reichs
unb ihrer Vereinigung unter einem gemeinsamen selbstänbigen König be¬
ginnt bie eigentliche Geschichte Deutschlanbs. Die Reihe ber beutschen