Full text: Von 1790 bis zur Gegenwart (Teil 3 = H. 137 [d. Gesamtw.])

Nationalitätenpolitik: Renner 1916 35 
Kriegsriiftungen, und unsere Bourgeoisie bringt Kriegsanleihen auf, daß es 
nur so seine Rrt hat. Der Rückschluß auf den allgemeinen verfall ist eben 
ganz falsch. 
Oder eine andere Tatsache: 3n der politischen Terminologie sind alle 
Nationen unterdrückt und entrechtet, natürlich jede in ihrer! was haben 
nur die Männer der ungarischen Unabhängigkeitspartei aus den armen 
Magyaren für beklagenswerte Lazarusse gemacht! Unterdrückt sind auch die 
Deutschen — sie sind nämlich bloßer Kulturöiinger. Unterdrückt sind erst 
gar die Tschechen! 
Wird nun so ein politischer Forschungsreisender, der sich für unter¬ 
gehende Völker interessiert ... ins Land verschlagen, so reißt er die Augen 
verblüfft auf. (Er sieht die erstaunliche Entwicklung von tDien und Prag 
und Pest, sieht Reichtum und Luxus in allen Zonen, Hochschulen in allen 
Zungen, besucht Exzellenzen jeder Landsmannschaft. Was besonders die 
Tschechen betrifft, so findet der Besucher, daß sie sich in dreiviertel Jahrhun¬ 
derten aus tiefster geschichtlicher Erniedrigung zur reichsten und unterrichtet- 
sten slavischen Nation emporgearbeitet haben. . .. Und der Forschungsrei¬ 
sende sagt sich: Alles was ich gehört habe, war sehr aufregend, aber — 
nicht wahr! . . . 
Das große Mißverständnis, das der Nationalismus auf sein Schuld- 
konto zu buchen hat, ist die Überhitzung der nationalen Rivalität zur un¬ 
versöhnlichen Feindschaft, die Übertreibung feines relativen Rechtes zum 
Unrecht und die Projektion dieser inneren Rivalität in die auswärtige 
Politik. Damit hat er den Schein erweckt, daß die Nationen wider den 
Staat kämpfen, wo sie offensichtlich um den Staat, um das Maß ihres 
Anteils an der Mitherrschaft ringen!
	        
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