Full text: Renaissance und Humanismus (H. 45)

4 A. Italien 
zur Linken das Meer bei Marseille und bei Aiguesmortes, die Rhone 
lag gerade vor mir, und während ich so das einzelne bewunderte 
und bald etwas irdisches bedachte, bald, wie den Körper, den Geist 
zu höheren höhen erhob, da kam mir die Lust, das Büchlein des Augustin \ 
das ich als ein Geschenk von dir2 immer bei mir trage, anzuschauen. 
Ich schlage im zehnten Buch auf, und mein Blick fällt auf die Stelle: 
da gehen die Menschen hin, um die höhen der Berge zu bewundern 
und die gewaltigen Fluten des Meeres und die breiten Windungen der 
Ströme, des Ozeans weites Land und die Bahnen der Gestirne, und 
werden sich selbst untreu. Ich stutze, der Bruder will mich fragen, aber 
ich schließe das Buch, daß er mich nicht störe. Den Berg hatte ich nun 
genug gesehen und wandte meine Rügen in mein Inneres, und seit 
der Stunde sprach ich kein wort mehr, bis wir heimkamen. 
4. Die Ruinen Horns X33T. 
was erwartest Du Dir für einen Brief aus Rom von dem, der Dir 
so viel aus Öen Bergen geschrieben hat? Sicher einen gewichtigen. 
Und Stoff habe ich auch genug für einen späteren Brief. Aber jetzt 
kann ich nicht schreiben, so sehr hat mich diese Wunderwelt gewaltiger 
Dinge überwältigt. Nur das eine will ich Dir nicht verhehlen: es ist 
mir anders gegangen als Du fürchtetest. Denn ich erinnere mich, wie 
Du mir von der Reise abgeraten hast, vor allem in der Meinung, der 
Anblick der Ruinenstadt möchte ihrem Rufe und der Meinung, die ich aus 
Büchern mir gebildet hatte, nicht entsprechen und so meine Liebe zu ihr 
erkalten machen. Und ich habe ja deshalb trotz meiner Sehnsucht nach 
Rom die Reise nicht ungern verschoben, damit nicht das Gebilde meiner 
Phantasie vor dem Augenschein, der ja so oft der Feind der Größe ist, 
zusammenschrumpfe. Rber — wie wunderbar — er hat mir nichts ver¬ 
kleinert, alles nur noch größer gezeigt, wirklich, Rom und seine Über¬ 
reste sind größer, als ich dachte. Jetzt wundert mich nicht mehr, daß 
diese Stadt die Weltherrscherin geworden ist, vielmehr, daß sie es erst 
so spät geworden ist. 
5. Die Dichterkrönung in Rom am Ostersonntag, den 8. April 1341. 
Ruf ©rsos3 Ruf 
versammelt sich das Volk des Romulus, 
es füllt das Kapitol mit frohem Ruf, 
die alten Mauern selber scheinen froh. 
Trompeten! Und zu Haufen rings geballt 
1 Die Konfessionen sind gemeint. 
2 Der Adressat ist Mönch in einem Florentiner Kloster. 
3 Römischer Senator.
	        
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