Full text: Friedrich der Große. 1. Seine Kriege (1 = H. 63 [d. Gesamtw.])

26 polnische Teilung 
C. polnische Teilung. 
36. Prinz Heinrich an den König.1 
Petersburg, 8. Januar 1771. 
Nachdem ich meinen Brief beendet hatte, war ich abends bei der 
Kaiserin. Sie sagte scherzend, die Österreicher hätten zwei Starofteien in 
Polen besetzt und das Kaiserliche Wappen an ihrer Grenze aufgerichtet. 
Dann fragte sie: „warum sollten denn nicht alle andern auch etwas 
nehmen?" 
3ch erwiderte, daß Du, teuerster Bruder, wenn Du auch in Polen 
einen Truppenkordon gezogen hättest, doch nicht zwei Starofteien besetzt 
hieltest. „Aber", fuhr die Kaiserin lachend fort, „warum denn sie nicht 
besetzen?" 
(Einen Augenblick nachher trat der Graf Tschernyschew heran und 
sagte im Verlauf einer Unterredung über denselben Gegenstand: „war¬ 
um wollen Sie nicht das Bistum Lrmeland nehmen? Ls muß doch jeder 
etwas haben." wenn diese Äußerungen auch nur im Scherze getan 
wurden, so ist doch sicher, daß etwas dahintersteckt, und ich halte es für 
sehr möglich, daß Du daraus Nutzen ztehn kannst. — 
Hntroort der Königs.® 
Potsdam, 24. Januar 1771. 
3ch fürchte sehr, daß die Russen, wenn sie nicht von ihrem großen 
Plane, die Türken zu erniedrigen, abstehen, noch in diesem Jahre in Krieg 
mit dem Hause (Österreich geraten werden. Das wird mich in große 
Verlegenheit bringen. Nie und niemals werden die Österreicher in die 
(Erniedrigung der Pforte willigen. 3ch aber werde mich genötigt sehen, 
bei diesem Lärm neutral zu bleiben, da ein Krieg für mich noch verfrüht 
sein jvürbe. Der, den wir hinter uns haben, war zu zerstörend und 
heftig, als daß wir so bald einen neuen unternehmen könnten, und 
(Ermland, das man uns in Aussicht stellt, lohnt nicht die Mühe, auch 
nur 6 Sous (3 Groschen) auszugeben, um es zu erwerben.3 wenn die 
Österreicher Krieg mit den Russen anfangen, wird es unter ihnen ganz 
andre Dinge zu ordnen geben als den (Brenzstrich Polens, den sie besetzt 
haben. Ich werde mich also nicht beeilen, sondern abwarten, ob die Er¬ 
eignisse eine solche (Erwerbung begünstigen; sonst bleibe ich lieber in 
der Lage, in der ich jetzt bin. 3n dieser abwartenden Stellung werden wir 
1 Politische Korrespondenz XXX, S. 406. 
2 politische Korrespondenz XXX, S. 407. 
3 3n einem eine Woche späteren Briefe fügt Friedrich hinzu: stuf die Be¬ 
setzung des Herzogtums (Ermeland habe ich verzichtet, weil das Spiel den Einsatz 
nicht wert ist. Dieser Anteil ist so klein, daß er das sich erhebende Geschrei 
nicht aufwiegen würde, polnisch Preußen dagegen wäre der Mühe wert, selbst 
ohne Danzig; denn dann hätten wir die Weichsel und, was sehr wichtig wäre, 
die freie Verbindung mit dem Königreiche.
	        
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