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seines Schwiegervaters hättest einherschreiten sehen. Sein Pferd war mit
glänzendem Brustschmuck geziert, ja es gingen ihm Pferde voraus und
folgten andere, die von Edelsteinen glänzten. Aber der Bräutigam saß
nicht auf seinem Pferde, sondern es ward für anständiger gehalten, daß er
mitten unter seinen Begleitern zu Fuße einherschritt, angethan mit flam ¬
mendem Purpur, mit röthlich glänzendem Goldschmuck und weißer Seide,
während sein Haar, seine Gesichtsfarbe und die übrige Haut diesem Schmucke
entsprachen. Das Ansehen seiner Genossen war aber im Frieden noch
furchtbar; ihr Fuß bis an die Knöchel war mit einem rauhen Stiefel um¬
hüllt, die Schienbeine, die Kniee und die Schenkel über ihnen waren un¬
bedeckt. Außerdem umgab sie ein eng anschließendes Gewand vou ver¬
schiedenen Farben, welches aber nicht bis an die Kniekehlen niederreichle.
Die Aermel umhüllten nur den obern Theil des Armes, der grünlich schim¬
mernde Mantel stach ab von den röthlichen Gliedern. Die Schwerter
hingen an Bändern von der Schulter nieder und schlossen dicht an die
mit Pelz umhüllten Weichen an. Dieselbe Kleidung, die ihnen zum Schmuck
dient, dient ihnen auch zur Wehr. In der rechten Hand trugen sie Lanzen,
mit Widerhaken versehen, und Streitäxte, die auch zum Werfen geeignet
sind; in der Linken dagegen einen Schild, dessen Rand schneeweiß, dessen
Buckel gelb ist. Dieser Schild beweist sowohl den Reichthum seines Be¬
sitzers als die Kunst seines Verfertigers. Ueberhaupt war Alles so be¬
schaffen, daß das Ganze nicht blos ein Hochzeitszug, sondern zugleich ein
Kriegszug zu sein schien."
2. Die Behandlung der Sklaven.
Im sechsten Jahrhundert lebte ein fränkischer Großer, Namens Rau-
ching, ein stolzer und grausamer Mann, der seine Sklaven sehr mißhan¬
delte. Wenn er zu Abend aß, so mußte ihm ein Sklave das Wachslicht
halten. Vorher jedoch befahl er ihm, seine Schenkel zu entblößen und
dann mußte der Sklave das Licht so nahe an seinen Körper halten, bis
es erlosch, und wenn es wieder angezündet war, so geschah dasselbe und
wurde so lange wiederholt, bis die Schenkel verbrannt waren. Wenn aber
der Unglückliche einen Laut des Schmerzes von sich gab oder sich von der
Stelle fortbewegen wollte, so bedrohete ihn Rauching mit dem entblößt
daliegenden Schwerte, und jemehr der Sklave vor Schmerz weinte, desto
x mehr freuete sich sein Herr.
Einstmals wollten sich unter seinen Sklaven ein Mann und eine Frau
heirathen, da sie sich schon zwei Jahre hindurch Zuneigung bewiesen hatten.
Deshalb gingen sie in die Kirche und der Priester segnete ihren Bund ein.
Als Rauching das erfuhr, eilte er schnell hinzu und forderte von dem
Priester, er solle ihm sogleich seine Sklaven herausgeben. Der Priester
aber sprach: „Du weißt, welche Verehrung der Kirche Gottes gebührt.
Du kannst die Leute nicht eher wieder erhalten, als bis du mir versprichst,
sie nicht wieder zu trennen und sie nicht mit einer Strafe zu belegen."
Rauching schwieg eine Weile, um darüber nachzudenken; alsdann legte er
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