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aber zog stolz und in Siegeshoffnung durch den Teutoburger Wald heran.
Da fand er auch den Wahlplatz, wo die Legionen gefallen waren, und
begrub die meisten Gebeine seiner erschlagenen Landsleute. Noch standen
die Altäre, auf welchen die Hauptleute der Römer den Göttern geopfert
waren. Germanikus zog Rache schnaubend tiefer in's Land hinein; da
kam wiederum Hermann wie im Sturm mit seinen Schaaren herbei und
schlug die Römer zurück. Die flohen in Eile bis hinter den Rhein.
Doch Germanikus rüstete sich mit neuer Macht und bot alle List und
Kriegskunst auf. An den Meeresküsten fuhr er mit einer Flotte bis hin
zur Ems; von dorther drang er jetzt in's Land. Da wichen die Cherusker,
in der Gegend, wo heutzutage Minden steht, hinter die Weser zurück
und erwarteten ihn zur Schlacht. Bevor sie begann, sah Hermann seinen
Bruder Flavius auf feindlicher Seite stehen und rief ihm zu: „O komm'
herüber zu deinem freien Volk, mein Bruder! Was kämpfest du in den
Reihen der Römer gegen dein eigenes Vaterland? Kennst du die alten
Eichen nicht mehr? Hörst du nicht, wie sie dir Grüße zurauschen aus
unserer Knabenzeit? Wirf hin, wirf sie von dir die goldenen Ehrenzeichen,
mit denen die Römer deine Knechtschaft vergülden! Wie ist es doch viel
schöner, von freien Brüdern geliebt zu sein und auf heimischer Erde zu
sterben!" Aber Flavius war zum Römer geworden und hatte kein Herz
mehr für solche Worte. Da gebot Hermann voll Grimm die Schlacht;
sie dauerte vom Morgen bis tief in die Nacht. Klug hatte Hermann den
Plan erdacht und bestellt; doch die Wuth des Kampfes verdarb das Wohl¬
ersonnene. Die Cherusker rannten von den waldigen Hügeln, wo Her¬
mann sie aufgestellt, zu früh in's Thal hinab. Dadurch entstand Ver¬
wirrung. Die Römer benutzten sie, drangen von allen Seiten vor und
wurden Meister des Schlachtfeldes. Da stürmte Hermann hoch zu Roß
Wider die Bogenschützen und bahnte sich endlich eine Gasse. Plötzlich stieß
er wieder gegen eine lebendige Mauer; das waren die römischen Bundes¬
genossen aus Gallien, aus Tyrol, vom Lech. Verwundet, daß das Blut
ihm über's Gesicht rann und ihn unkenntlich machte, brach der tapfere
Held dennoch durch und gewann das Freie.
Wie aber die Römer den Rückzug antraten, stand alles Volk in den
Gauen wider sie aus und abermals ward grimmig geschlagen bis tief in
die Nacht. Die Römer nannten's einen Sieg, zogen sich aber doch eiligst
zurück. Darauf fuhren sie auf der Ems in's Meer, dort zerstörte der
Sturm ihre Flotte. Ungebeugt durch diesen Verlust griff Germanikus
die Chatten und Marsen an, legte das Land wüst und hoffte mehr denn
je, Deutschlands Meister zu werden. Doch der Kaiser Tiberius, eifer¬
süchtig auf den Ruhm des tapfern Germanikus, rief ihn zurück und sprach
dabei ein Wort, das sich leider zu allen Zeiten als wahr erwiesen hat:
„Sicherer als durch fremde Waffen wird die Kraft der Deutschen durch
sie selbst gebrochen!"