Full text: Das Mittelalter (Theil 2)

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so wolle er in der Person eines Beichtigers zum Könige gehen, ihm gleich¬ 
falls eine Platte scheeren, dann ihn in seine Kutte stecken lassen und mit 
dem Konventbruder in's Kloster zurücksenden. Alsdann sollte der Guar¬ 
dian mit dem König sich auf ein Schifflein setzen, welches mit vier Knechten 
und drei Pferden vor St. Katharinenpforte auf ihn warten würde, und 
ihn also nach Middelburg abführen. Der Guardian fragte ihn, wo er 
denn bleiben wollte. Er antwortete: „Ich will des Königs Kleider an¬ 
legen und wenn die von Brugg den König suchen, werden sie an dessen 
Statt einen Narren finden, mit dem sie alsdann anfangen können, was sie 
wollen. Mir ist genug, ob sie mir gleich alle Marter und den Tod selber 
anthun, wenn ich nur meinen Herrn errette und diese Rebellen von einem 
Narren betrogen werden." Der Guardian verwunderte sich über diese 
Treue, that, was er begehrte, und befahl dem Konventbruder, daß er von 
dem Kunzen sagen solle, er sei des Königs Beichtvater. 
Als sie in des Königs Haus kamen und der Leibwacht-Hauptmänn 
fragte, was sie beim Könige zu verrichten hätten, zog der Kunz die Kappe 
ab, entblößte die Platte und gab andächtig zur Antwort, er sei vom Guar¬ 
dian abgeordnet, den König Beichte zu hören und ihn aus Gottes Wort 
zu trösten. Wie er nun in des Königs Gemach kam, begann er seiner 
Gewohnheit nach mit starker Stimme den König also anzureden: „Siehe, 
nun finde ich dich da, mein frommer König? Daß dich Gottes Marter 
schänd*), warum hast du mir nit gefolgt, da ich dich gewarnt? Nun siehe, 
ich habe mein Leben deinethalben gewagt und will dich mit Gottes Hülfe 
aus deiner Feinde Händen erledigen, du mußt mir aber jetzt besser folgen." 
Der König wußte nicht, wie ihm geschah; er erkannte wohl feinen Kunz 
an der Rede, ihm dünkte aber unmöglich, daß er also durch drei Wachen 
habe zu ihm kommen können. Als der Kunz den Max so bestürzt sah, 
sagte er ferner zu ihm: „Lieber Max! Laß dich's uit befremden! Du 
kennst ja deinen treuen Narren, den Kunzen. Da hab' ich mein Scheer- 
zeug, damit will ich dir eine Platte scheeren; denn ich habe um deinet¬ 
willen dies Handwerk erlernt. Ich will auch mit dir die Kleider tauschen 
und hier bleiben; du aber sollst in meiner Kutte durch die Wacht hinaus¬ 
gehen. Es ist schon Alles bereit, komm nur und laß dich scheeren." 
Doch der edle König Maximilian verneinte, es stünde seiner Hoheit 
übel an, auf solche Weise aus der Gefangenschaft zu entkommen, zumal da 
er vernommen hatte, daß eine starke Hülfe, ihn zu retten, im Anzuge sei. 
Darum wollte er seinem treuen Kunz nicht folgen; dieser aber sprach: 
„Lieber König! Ich sehe wohl, daß du immer noch so narrend bist, als 
zuvor. So behüt' dich Gott, mein närrischer König, du bist gar zu fromm 
für die Fläminger!" Weinend und betrübt ging er wieder zur Thüre 
hinaus, und als der Hauptmann ihn fragte, wie er den König befunden, 
antwortete er: „Fromm!" 
*) Ein damals gebräuchlicher Fluch. 
Grübe. Geschichtsbilder. II.
	        
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