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Dritter Abschnitt. Zweiter Zeitraum.
bemerkten sie auf dem Forum die ehrwürdigen Gestalten der Senatoren,
welche sich nicht regten, noch rührten. Als aber ein loser Gallier
einen Senator beim Barte faßte, um sich zu überzeugen, ob die
Gestalten Bildsäulen oder Menschen seien, schlug der empörte Senator
mit einem heftigen Streiche seines elfenbeinernen Stabes den Gallier
nieder. Da fielen die übrigen Gallier über die Senatoren her und
erschlugen sie sämtlich. Die Stadt wurde 390 geplündert, angezündet
und in Asche gelegt; die Burg belagert.
Die nach Veji und den umliegenden Städten geflohenen Römer
wählten jetzt den Camillus zum Diktator, Um die erforderliche
Einwilligung des Senates dazu einzuholen, der in seiner Mehrzahl
sich auf dem Kapitol befand, schlich sich ein römischer Jüngling Namens
Pontius Cominius nachts durch das gallische Lager, erstieg den
kapitolinischen Hügel an der steilsten Stelle und brachte die Zu¬
stimmung des Senates nach Veji zurück. Am folgenden Tage be¬
merkten aber die Gallier seine Spuren und erkletterten nächtlicher
Weile an derselben Stelle den Hügel. Die römische Wache schlief.
Da erhoben plötzlich die Gänse, welche zu Ehren Junos auf dem
Kapitol gehalten wurden, ein solches Geschrei, daß der Konsul
Manlius erwachte und die Gefahr sah. Im Nu waren die kühnen
Gallier von der Mauer hinabgestürzt: die heiligen Gänse hatten das
Kapitol gerettet.
Während Camillus noch seine Truppen zum Entsätze des Kapitols
ausrüstete, geriet die Besatzung der Burg durch Hunger in solche Not,
daß mit den Galliern Unterhandlungen angeknüpft werden mußten,
um sie zum Abzug zu bewegen. Brennus forderte 1000 Pfund
Gold. Diese hohe Summe konnte aber nur mit großer Mühe zusammen¬
gebracht werden, und willig legten die Frauen ihr Geschmeide auf den
Altar des Vaterlandes. Aber Brennus hatte falsches Gewicht, und als
sich Manlius darüber beschwerte, warf jener mit dem höhnenden Ruf:
„Wehe den Besiegten!" (Vae victis!) totzig sein Schwert noch zu
den Gewichtsteinen. In diesem verhängnisvollen Augenblick erschien,
wie spätere römische Geschichtschreiber erzählen, der Diktator Camillus
mit seiner Schar und rief: „Weg mit dem Gold! mit Eisen er¬
kauft der Römer sein Vaterland!" Der ohne fein Wissen abge¬
schloffene Vertrag soll von ihm für nichtig erklärt und ein blutiger
Kamps in den verödeten Straßen Roms die Gallier zur Flucht ge¬
nötigt haben.
Nach dem Abzug der Gallier wollten die Plebejer das nieder¬
gebrannte Rom verlassen und nach Veji übersiedeln. Doch Camillus