ja das hohe Ideal seines Berufs gleich einem leuchtenden Sternbilde im
Osten aufgegangen! Hans Sachs pilgerte nun den ganzen Rheinstrom auf
und ab, keine Stadt unbesucht lassend, wo die Kunst des Meistergesangs
gepflegt ward. Aber vom Singen wird der Mensch nicht satt, so erging
es schon in jener Zeit den bedauernswerten Dichtern. Es half nichts,
Hans Sachs mußte wieder zu seinem Handwerk sich wenden und bei tüch¬
tigen Schustermeistern Arbeit suchen, die ihm auch nirgends fehlte, und
wenn er nun, auf dem Dreifuß sitzend, den ganzen Tag genäht und ge¬
hämmert hatte, dann warf er sich noch spät am Abend in seinen Sonn¬
tagsstaat und begab sich nach den Versammlungsorten der Singschulen,
wo er anfangs als lernbegieriger, vielversprechender Schüler, bald aber
selbst als wackerer Praktikant und endlich als ein so tüchtiger Meister will¬
kommen war, wie nur einer jemals ein Gesätz und Gegengesätz gefügt
hatte. So vergingen einige Jahre, binnen welchen Hans Sachs bekannt
und berühmt geworden war bei allen Verständigen und Liebhabern der
Kunst in ganz Deutschland. Aber als brodlose Kunst erwies sich denn
doch noch sür's Erste der herrliche Meistergesang, so wie es Hans Sach¬
sens Vater vorausgesagt hatte.
Da entschloß sich der Jüngling, im gerechten Stolz auf seinen erwor¬
benen Ruhm, wieder umzukehren nach seiner lieben Vaterstadt und wie
zuvor im Hause des Vaters zu arbeiten, als Handwerksgenosse, nebenbei
aber der edlen Kunst, von welcher er nun und nimmer lassen konnte, fleißig
obzuliegen. Nach langer, mühseliger Wanderschaft langte er an einem späten
Abend in Nürnberg an. Er suchte die wohlbekannte Gasse auf, wo das
väterliche Häuschen stand; lange mußte der Jüngling erst leise, dann lauter
und immer lauter klopfen, bevor im Innern des Hauses Tritte und eine
keifende Weiberstimme laut wurden. Endlich öffnete sich das Fenster und
ein altes Weib erschien mit Licht, scheltend, wer noch in so später Nacht
Einlaß begehre. „Gute Frau," sagte bescheiden der Jüngling, „wohnt hier
nicht Veit Sachs, der Schuster?" Auf diese Frage schalt die Frau nur
ärger. „Merkt's Euch, Ihr Tagedieb," rief sie im heftigsten Unwillen,
„daß Veit Sachs, der Schuster, schon vor zwei Jahren das Zeitliche ge¬
segnet und weder Mann noch Maus von seiner Familie an dieser Woh¬
nung mehr Antheil hat." Wie diese traurige Nachricht den armen Jüng¬
ling erschreckte, wollen wir dem Leser nicht schildern; er sank erschüttert
nieder auf einen Stein vor der Thüre des gegenüberstehenden Hauses,
verbarg das Gesicht in beiden Händen und schluchzte laut.
Armer Sachs, wohin sollst du dich nun wenden, um ein Nachtquartier,
um eine gastliche Aufnahme zu finden? Muth gefaßt! Dem Redlichen hilft
Gott! Der traurige Hans besann sich zur rechten Zeit auf seinen alten
Meister in der Kunst, der er sein ganzes Leben nun gewidmet hatte, auf
den alten Weber Nunnenbeck. Zum Hause dieses würdigen Mannes wendet
er sich und bald liegt er in den Armen seines einzigen, väterlichen Freundes.
„Bleibe bei mir, lieber Sohn," spricht der wackere Greis, „und liege ohne
Scheu und Störung der edlen Kunst ob, welche dir schon so reichlich