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that er in England, wohin er nun reiste. Einen großen Genuß verschaffte
ihm hier König Wilhelm, indem er vor ihm eine Seeschlacht aufführen
ließ. „Wäre ich nicht zum Czaren des russischen Reichs geboren," rief er
einmal aus, „so möchte ich ein englischer Admiral fein!" Drei Monate
blieb er da. Als er auf der Rückreise wieder über Holland ging und ihn
hier bei einer feiner Wafferfahrten auf der Zuyder-See (fpr. Seuder-See)
ein Sturm überfiel, war er allein ganz unerschrocken. „Habt ihr denn je
gehört," sagte er zu den bebenden Schiffern, „daß ein russischer Czar in
Holland auf der See ertrunken fei?" — Nun ging es über Dresden
nach Wien, wo es ihm sehr gefiel, und eben wollte er nach Italien gehen,
als er die Nachricht erhielt, die Strelitzen hätten sich schon wieder empört.
Wie ein grimmiger Löwe fuhr er auf und eilte schnell nach Ru߬
land zurück. Auf der Reife durch Polen besuchte er den König des
Landes, den starken August II., dem es ein Leichtes war, zinnerne Teller
wie ein Papier zusammen zu rollen. Auch dem Czaren gab August eine
Probe feiner Stärke, indem er mit einem fcharfen Säbel einem polnischen
Ochsen den Kopf mit einem Hiebe abschlug. „Schenkt mir den Säbel,"
sagte Peter: „er ist mir nöthig, um das Haupt des Empörungsdrachens
vom Rumpfe zu trennen." Der König reichte ihm den Säbel mit den
Worten: „Tod den Türken und Tataren! Leben und Gnade den Unter¬
thanen!" eine Aeußerung, die feiner Menschlichkeit Ehre macht. Peter fand
den Aufruhr schon gedämpft; alle Gefängnisse waren voll. Kaum bezwang
sich Peter, feine Schwester Sophie nicht zu mißhandeln; denn sie hatte
vermuthlich wieder ihre Hand im Spiele gehabt. Darum wurde sie noch
enger eingesperrt und 130 Schuldige wurden ihren Fenstern gegenüber
aufgehenkt. Schrecklich war diesmal die Strafe der Uebelthäter; einen
ganzen Monat lang floß ihr Blut auf dem Richtplatze bei Moskau.
Um diese Zeit starb fein Freund Le Fort. „Nun habe ich keinen
treuen Diener mehr!" rief Peter mit Thränen aus. „Auf ihn allein
konnte ich mich verlassen." Er küßte den theuren Leichnam und badete
ihn mit feinen Thränen. Seine Stelle ersetzte späterhin Menfchikow. Die
Nachrichten über feine Herkunft sind verschieden. Es heißt, er fei ein
Pastetenbäckerjunge gewesen und habe Pasteten auf den Straßen herum¬
getragen. Einst kam er so auch in die Küche eines vornehmen Russen,
der den Czar zu Tische geladen hatte. Da bemerkte er, daß der Wirth in
ein Lieblingsgericht des Czaren ein Pulver that. Menschikow schöpfte
Verdacht, ging auf die Gaffe und wartete, bis der Czar kam. Dieser be¬
merkte ihn und sagte: „Gieb mir deinen Korb zum Kaufe!" — „Den
Korb," antwortete der Junge, „darf ich nicht ohne meines Herrn Erlaub¬
niß weggeben. Indeß, da Euch das Alles zugehört, so nehmt ihn immer¬
hin." — Die Antwort gefiel Petent; er befahl ihm zu folgen und ihn
bei Tische zu bedienen. Als nun das verdächtige Gericht kam, rief der
Knabe den Czar bei Seile und sagte ihm, was er gesehen habe. Peter
verlangte, daß der Wirth zuerst davon essen sollte, und da dieser bestürzt
es ablehnte, fetzte er einem Hunde davon vor, der bald darauf starb.