Full text: Die neue Zeit (Theil 3)

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gemetzelten Leibgarden getragen, als Siegestrophäen auf hohe Stangen 
gesteckt; die noch übrig gebliebenen Garden schleppte der Pöbel als Ge¬ 
fangene in seiner Mitte fort. Dann folgte der Wagen, in welchem der 
König und die Königin, ihre beiden Kinder und die Prinzessin Elisabeth, 
des Königs Schwester, saßen. Zu beiden Seiten wogte eine ungeheure 
lärmende Volksmenge. Einige grinsten nach dem Wagen hin und stießen 
Verwünschungen und Drohungen gegen die königliche Familie aus, Andere 
hielten Triumphgesänge, noch Andere schrieen: „Da bringen wir euch 
den Bäckermeister nebst Frau und Lehrjungen!" — als ob die Rückkehr 
der unglücklichen, aller Macht beraubten Familie die Theuerung in Paris 
heben würde! Hinter dem Wagen wurden mehrere Kanonen geführt, 
Weiber saßen aus den Lafetten und trugen Brod und Fleisch auf den 
Bajonetten. Berauschte Männer und Weiber ritten durch einander, der 
ganze Weg war von den Einwohnern der benachbarten Dörfer besetzt 
und so voll Menschen, daß die königlichen Wagen oft still halten mußten. 
Erst nach sechs Stunden der Angst und Schmach langte der arme Ludwig 
vor dem Schlagbaume (Barriöre) von Paris an, wo ihn der Bürger¬ 
meister (Maire) empfing, den schönen Tag preisend, welcher den König 
von Frankreich der Hauptstadt wiedergebe. Der König erwiederte: er 
sei mit Vergnügen gekommen, und die Königin, sie trete mit Vertrauen 
in die gute Stadt. Nach diesen gegenseitigen Förmlichkeiten wurde dem 
gedemüthigten Fürsten erlaubt, sich nach dem Paläste der Tuilerien zu 
begeben, in welchem gar keine Anstalten zum Empfang der königlichen 
Familie getroffen waren, so daß man die Betten borgen mußte. 
Von nun an hatte der König keinen Willen niehr und war als Ge¬ 
fangener der Pariser Volksführer zu betrachten. Nicht bester war es mit 
der Nationalversammlung; über dreihundert Deputirte verließen dieselbe, 
weil sie mit den Mördern des 6. Oktobers keine Gemeinschaft haben woll¬ 
ten. Die übrigen Deputirten gingen nach Paris und hoben, durch den 
Schutz des Pöbels kühn gemacht, eine Einrichtung nach der andern auf, 
ohne zu bedenken, daß es leichter ist, einzureißen als wieder aufzubauen. 
Die Sitzungen wurden in einer Reitbahn gehalten, die im Garten der 
Tuilerien lag und die in der Geschwindigkeit mit Bänken, wie ein Amphi¬ 
theater hergerichtet war. In der Mitte hatte der Präsident seinen Sitz, 
zur Rechten saßen die Gemäßigten, zur Linken aber, besonders auf den 
höchsten Bänken, (dem Berge) die heftigsten Revolutionsmänner. In 
Paris entstanden Klubbs oder Vereine gleichgesinnter Deputirten, die vor¬ 
her das besprachen, was sie in der Nationalversammlung durchsetzen 
wollten. In einem Jakobinerkloster versammelte sich der sogenannte 
Jakobiner-Klubb, der aus den gefährlichsten Wühlern bestand. Als 
äußeres Abzeichen trugen die Jakobiner eine rothe, lang herabhängende 
Mütze. Bald wimmelte ganz Frankreich von Klubbs, welche dann ihren 
gemeinsamen Mittelpunkt in Paris fanden. Die Zuschauer auf der Galerie, 
größtenteils Anhänger der Jakobiner, bezeichneten durch Zujauchzen 
und Händeklatschen den ungestümsten Rednern ihrer Partei lärmenden
	        
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