Full text: Frankreich vom Sturze der Julimonarchie bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts ; 2 = H. 133 [d. Gesamtw.] (2 = H. 133 [d. Gesamtw.])

8 Der Staat und die Kirche 
der toten Hand, das für Frankreich ein schweres Ärgernis ist, näher be¬ 
trachten . . man muß zu erfahren suchen, ob die Steuern von allen 
kirchlichen Gütern. . . richtig bezahlt werden, ... es müssen Gesetze 
gegeben werden, die sie der toten Hand nehmen. . . . 
b) Tmile Combes über das Verhältnis von Staat und Kirche.1 
Die katholische Kirche Frankreichs ist mit dem Staate durch das 
Konkordat (von 1801) verbunden. Dieses Abkommen hat ihr genau um¬ 
schriebene Verpflichtungen auferlegt, es hat einerseits ihre Handlungs¬ 
freiheit begrenzt, ihr aber anderseits sehr schätzenswerte materielle 
und moralische Vorteile zugesichert. Hun will die katholische Kirche wohl 
die zugestandenen Vorteile genießen, die entsprechenden Verpflichtun¬ 
gen aber nicht erfüllen. (Es ist daher zugleich das Recht lind die Pflicht 
der Regierung, sie zur Beobachtung des Abkommens anzuhalten 
Die Verletzungen des Konkordats entziehen sich durch ihre große Zahl 
der Berechnung und werden täglich kühner. Wer konnte also ehrlicher¬ 
weise darüber entrüstet sein, daß bei einer solchen Lage die Regierung 
doppelt strenge Maßregeln ergreift? . . . Line der grundlegenden Auf¬ 
fassungen von der republikanischen Verfassung ist die Oberhoheit der 
Staatsgewalt, ihre vollständige Unabhängigkeit von jeder Religion und 
jedem Dogma. Lin solcher Grundgedanke verstößt gegen die katholische 
Lehre..., daher mußte ein unversöhnlicher Gegensatz zwischen Staat und 
Kirche entstehen— Alle Anstrengungen (der Schule (Bambettas) hatten 
daher dasselbe Ziel: die bürgerliche Gesellschaft von dem (Einflüsse der 
Kirche zu befreien. .. . Das Unternehmen war nicht leicht, es 
galt (Besetzt zu ändern und neue Sitten einzuführen. . . . Wir müssen 
dem großen Staatsmanne waldeck-Rousseau unbegrenzt dankbar sein 
für den unvergleichlichen Dienst, den er uns dadurch geleistet hat, 
daß er den größten Zweiflern die Augen über die uns drohende Ge¬ 
fahr geöffnet und uns das gesetzliche Mittel- gegeben hat, ihr zu be- 
1 (Emile Combes, Une deuxieme Campagne laique. Vers la Separation 
1905 S. 1 ff. 
2 röatöccf-Rouffeau beantragte als Ministerpräsident am 7. Dezember 1899 
ein Gesetz betreffend die Trennung von Staat und Kirche und die Abschaffung 
des Kultushaushalts; es wurde abgelehnt. Aber im INarz 1901 gelang es ihm, 
ein üereinsgefetz durchzubringen, dessen § 14 lautet: (Drben, die vom Staat 
nicht zugelassen sind, dürfen keinen öffentlichen Unterricht erteilen. Dieses Gesetz 
trat am 1. Juli 1901 in Kraft. In einer Rede zu Montreuil-le-Gust, am 6. Okto¬ 
ber 1879 (TDaldecf-Rouffeau, l'fitat et la Liberty S. 408) sagte er: „RIan be¬ 
schwert sich über die Verfolgung der Kirche, man will Ihnen weismachen, daß 
der Glaube vergewaltigt wird, daß die Kirchen bald geschlossen werden. 3n 
der Tat, meine Herren, wollen wir, daß die Kirchen geöffnet bleiben, aber dem 
Glauben, nicht der Politik. Der Staat verteidigt sich nicht gegen die Religion, 
die er achtet, nicht gegen ihre natürlichen Diener, deren Einkommen er erhöht, 
er verteidigt sich nur gegen eine politische Partei, deren Absichten durchaus weit»
	        
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