— 95 — 
adelig, reich, hervorragend und tapfer*) sein, und zwar großsinnig im Unglück, 
adelig der Abstammung nach, reich an Rechtschaffenheit, hervorragend durch sein 
ganzes Verhalten, tapfer an männlicher Tugend. Ehe du nun das Gelübde ablegst, 
vernimm mit reiflicher Überlegung die Forderungen der Ritterregel. Das also ist 
die Regel des Ritterstandes: zuvörderst mit demütiger Erinnerung an das Leiden 
Christi täglich eine Messe zu hören, für den Glauben kühnlich das Leben einzusetzen, 
die heilige Kirche samt ihren Dienern von allen, die ihr Gewalt anthun, zu befreien, 
Witwen und Waisen in ihrer Not zu schützen, ungerechte Kriege zu vermeiden, un¬ 
billige Dienste zu versagen und ungerechten Sold auszuschlagen, für die Rettung 
jedes Unschuldigen einen Zweikampf zu bestehen, Turniere nur der ritterlichen 
Übung wegen zu besuchen, dem römischen Kaiser in allen weltlichen Dingen ehr¬ 
furchtsvoll zu gehorchen, das Reichsgut unangetastet in seinem Bestände zu lassen, 
Lehensgüter des Königs oder Kaisers auf keine Weise zu veräußern und vor Gott 
und Menschen unsträflich in dieser Welt zu wandeln. Wenn du diese Gebote der 
ritterlichen Regel demütig bewahrest und, so viel an dir liegt, eifrig erfüllest, so sei 
gewiß, daß du zeitliche Ehre hier auf Erden und nach diesem Leben die ewige Ruhe 
im Himmel erwerben wirst." 
Hierauf legte der Kardinal die Hände des Knappen gefaltet auf das Meßbuch 
über das gelesene Evangelium und sprach: „Willst du also die Ritterwürde im 
Namen Gottes demütig empfangen und die Regel, welche dir Wort für Wort vor¬ 
gelegt worden, nach Kräften halten?" Der Knappe antwortete: „Ja, ich will es!" 
Darauf übergab der Herr Kardinal dem Knappen nachstehendes Gelöbnis, und 
der Knappe las dasselbe laut vor allen Anwesenden ab, also: „Ich, Wilhelm Graf 
von Holland, des heiligen Reiches freier Lehnsmann, gelobe eidlich die Beobachtung 
der ritterlichen Regel, im Beisein des Herrn Peter, Kardinals und Legaten des 
päpstlichen Stuhles, bei dem heiligen Evangelium, das ich mit meiner Hand berühre." 
Und der Kardinal sprach darnach: „Dieses demütige Gelöbnis sei der wahre Ablaß 
deiner Sünden! Amen." 
Nachdem dieses also gesprochen worden war, gab der König von Böhmen dem 
Knappen einen gewaltigen Schlag an den Hals und sprach: „Zur Ehre des allmäch¬ 
tigen Gottes nehme ich dich zum Ritter an und empfange dich mit Glückwunsch in 
unserer Genossenschaft. Aber gedenke, wie der Heiland der Welt vor Hannas, dem 
Hohenpriester, für dich geschlagen und vor Pilatus ist verspottet und gegeißelt und 
mit Dornen gekrönt worden, vor dem Könige Herodes mit einem Mantel bekleidet 
und verhöhnt und vor allem Volke an das Kreuz gehängt; an dessen Schmach zu 
gedenken, bitte ich dich; dessen Kreuz auf dich zu nehmen, rate ich dir; dessen Tod zu 
rächen, ermahne ich dich." 
Nachdem so alles feierlich vollzogen und auch die Messe gelesen war, rannte 
der neue Ritter unter dem Schalle der Posaunen und Pauken und Trompeten drei- 
*) In der lateinischen Chronik stehen die Worte: magnanimus, ingenuus, largifluus, 
egregius und strenuus, deren Anfangsbuchstaben das lateinische Wort „miles“ bilden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.