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sammelten werden mit gezückten Schwertern verwundet und auseinander getrieben.
Die Geistlichen, welche sich in Wäldern versteckt hatten, werden mit Hunden auf¬
gespürt und mit dem Schwedentrunk und anderen Martern gepeinigt. Auf den
meisten Dörfern hörte der Gottesdienst Wochen- oder monatelang auf, und es blieben
dort so wenige Leute zurück, daß man selbst die Gestorbenen nicht mehr zur Erde
bestatten konnte."
Der Rat der Stadt Sternberg in Mecklenburg schrieb am 16. Januar 1639
an den Herzog Adolf Friedrich:
„Die letzten schwedischen Regimenter unter Schlange nnd Hoyking haben allen
übriggebliebenen Vorrat und Getreide, so noch aus Schrecken und Furcht von einem
Teile der Bürger, sich und die Ihrigen damit auf eine Zeit von der Hungersnot zu
retten, beiseite gebracht, aus Kirchen, Rats - und Predigerhäusern und gleichsam
aus allen Winkeln herausgesucht, und daneben den Leuten ihre übrige Armut an
Hansgerät, Kupfer, Hopfen, Leinen und Betten, ja zum Teil Handwerksleuten ihr
Handwerkszeug abgenommen und durch die Marketender an andere Örter verfahren
lassen, so daß alle Gassen und Winkel voll Heulens und Wehklagens und, Gott er¬
barme sich darüber, der Hunger allhier so groß, daß die Leute Hunde, Ratten, Mäuse
und andere unnatürliche Speise zur Erwehrung des Hungers genießen, ja weil sie
derselben nicht genugsam bemächtigt, vor Hunger also häufig hinsterben, daß auch
die Toten auf den Gassen liegen. Und ist diese Verwüstung nicht allein an Menschen
und Vieh, sondern auch an Zimmern und Gebäuden vorgenommen, indem aus
Mangel au Holz und weil kein Vorspann vorhanden, ein Haus nach dem andern,
ja ganze Gassen und säst der größte Teil der Stadt niedergerissen und zur Feuerung
und zu der von den Einquartierten vorgenommenen Schanzarbeit verbraucht und
verwüstet worden und also nicht mehr übrig ist, als daß es, welches Gott noch gnädig
abwenden wolle, in einen Stein- oder Lehmhaufen gestürzt werde."
104, Zustand der deutschen Sprache im 17. Jahrhundert.
Der berühmte Gelehrte Leibnitz schrieb in seinen „Unvorgreiflichen Gedanken,
betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen Sprache" n. a.:
„Es scheint jetzt, daß bei uns der Mischmasch abscheulich überhandgenommen,
also daß der Prediger auf der Kanzel, der Sachwalter auf der Kanzlei, der Bürgers¬
mann im Schreiben und Reden mit erbärmlichem Französisch sein Deutsch verdirbt
Mithin es fast das Ansehen gewinnen will, wenn man so fortfährt uud nichts da¬
gegen thut, es werde das Deutsche in Deutschland selbst nicht weniger verloren gehen,
als das Angelsächsische in England. Gleichwohl wäre es ewig Schade und Schande,
wenn unsere Haupt- und Heldensprache dergestalt durch unsere Fahrlässigkeit zu
Grunde gehen sollte, was fast nichts Gutes ahnen ließe, weil die Annehmnng einer-
fremden Sprache gemeiniglich den Verlust der Freiheit und ein fremdes Joch mit
sich führt.