Full text: Vaterländische Geschichte der neuesten Zeit

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Die Verstimmung Frankreichs wirkte auch auf Italien. 
Krieg wollte es führen, um Venetien ritterlich zu erhalten, aber 
doch nur einen gemäßigten und eingeschränkten, nicht einen 
ernsthaften, wie Preußen ihn vorschlug. Den „Stoß ins Herz , 
der das natürliche Ziel eines wirklichen Krieges ist, wollte es 
nicht führen, sondern nur die militärische Ehre so weit wahren, 
daß es Venetien erkämpft zu haben schien. So empfahl es 
Napoleon. Er schloß demgemäß mit Oesterreich am 9. Juni 
einen Vertrag, nach welchem dieses Venetien an Frankreich bezw. 
Italien abtreten, dafür aber Schlesien erhalten sollte. Venetiens 
Erwerb war also für Italien von vornherein gesichert. Weitere 
Wohltaten erstrebte Napoleon für Deutschland. Preußen sollte 
westlich abgerundet, die Mittel- und Kleinstaaten als dritte 
deutsche Großmacht (Trias, s. den Rheinbund) selbständiger 
werden usw. usw. 
Die Mittelstaaten freuten sich der neuen Aussichten. 
Mit so guten Verbindungen ließ sich schon etwas wagen. So 
sah man mit Vertrauen der endlichen Auseinandersetzung ent¬ 
gegen. Preußens Kraft wurde unterschätzt, noch mehr aber 
die der Gegner überschätzt. Wenn Oesterreich 800000 Krieger 
stellte, beiläufig gesagt wirkliche Krieger, nicht Schwächlinge 
wie in Preußen, wo alles mitmußte, wenn Bayern 100 000 Mann 
auf biete, wenn . . . kurz und gut, der Ausgang schien so 
zweifellos, daß ein mittelstaatlicher Minister schon das vae victis 
den Preußen zurief. Und selbst Hannover, das eingekeilt 
zwischen preußischen Festungen zu besonderer Vorsicht allen 
Anlaß gehabt hätte, entschied sich doch bestimmter für Oester¬ 
reich, weil es sich durch den 'Milchbruder des Königs, den 
Prinzen von Solms-Braunfels, von der Gewißheit überzeugt hatte, 
daß Oesterreich siegen werde. Es verlegte demnach die Herbst¬ 
manöver in den Frühling, angeblich, weil mutmaßlich im Herbst 
die Futterpreise teurer wären. Mit dem Manöver war natürlich 
die Mobilisierung gemeint. 
So war die Meinung von Oesterreichs guten Aussichten eine 
allgemeine. Selbst in Preußen dachten viele so und sannen ver¬ 
gebens auf Abwendung. Verschiedene größere Städte sprachen 
sogar dann noch, als der Krieg bereits unvermeidlich geworden, 
dem Könige die dringende Bitte aus, dem Bruderkrieg um jeden 
Preis auszuweichen. Nur Breslau erkärte sich wie 1813 zu
	        
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