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eitler Verblendung das Heer so klein zu halten gewußt, daß es
1870 nur mit 330 000 Mann in den Krieg ziehen konnte. Wert¬
voll aber waren immerhin die neuen Waffen: die Chassepots,
mit denen sie schon auf 3000 Fuß schießen konnten, während
die Zündnadeln nur 1000 Fuß weit wirkten, ferner die
Mitrailleusen, die verheerend einschlagen mußten, wenn der
Feind sich dahin stellte, wohin die parallel laufenden 25 Kugeln
flogen, endlich die zerlegbaren Kanonenboote, die nur auf
der Bahn nach Straßburg gebracht zu werden brauchten, um
dann die großen deutschen Rheinfestungen vom Wasser aus zu
nehmen. Leider aber hatte Moltke die ganze deutsche Armee
von vornherein auf der linksrheinischen Grenze Aufstellung
nehmen lassen; von hier zog sie sofort zum Angriff in Frankreich
hinein. Die Schiffe haben deshalb erst ganz zum Schlüsse des
Krieges Verwendung finden können, aber nicht auf dem Rhein,
sondern auf — der Marne bei Paris und auf der Loire.
Man würde Napoleon Unrecht tun, wollte man behaupten,
er hätte im blinden Vertrauen auf seine Armee ein besonderes
Verlangen nach dem Kriege gehabt. Persönlich leidend und
wohlunterrichtet über die Stärke und vorzügliche Leitung der
Deutschen, hätte er gewiß gern den Krieg vermieden, hätte er
nicht für die Erhaltung seiner Dynastie sichtbare Erfolge im
Osten Frankreichs dringend notwendig gehabt. Er hoffte auf
friedlichem Wege sie zu erreichen. Statt dessen hatte er seit
1863 nur Demütigungen erfahren. Den Polen hatte er 1863
nicht helfen können, ebensowenig 1864 den Dänen. 1865
und 1866 hatte er von Preußen keine Grenzberichtigungen
erreicht. 1867 hatte er ebensowenig, während sein mexikanisches
Kaiserreich kläglich zusammenbrach, das bereits von Holland
erkaufte Luxemburg festzuhalten vermocht. Immer höher schwoll
die Erbitterung gegen Preußen, das seinerseits in Süddeutschland
immer neue Erfolge einheimste. „Rache für Sadowa“ wurde die
Losung, wenn man auch patriotisch beklommen war, daß
Preußen allein schon so stark sich erwiesen. Aber im Glauben
an die Kraft Frankreichs verlangte man schon 1868 den
Krieg, als Deutschland und Italien über die Durchbohrung des
St. Gotthards sich verständigten. Es wurde dann als weise
Mäßigung ausgelegt, daß man wegen solcher nichtfranzösischer
und nicht politischer Vorgänge den Krieg vermied. Den