Full text: Vaterländische Geschichte der neuesten Zeit

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meinte er, daß auch er, wenn er demnächst in sein Land heim¬ 
kehre, eine kleine „Entschädigung“ mitbringen werde, etwa den 
Beeskow-Storkower Kreis. Wie aus den Wolken fiel er nun, 
als er hörte, daß er im Gegenteil sein ganzes Land verlieren 
solle Das war ihm gradezu unfaßbar. Es wäre „eine Beleidigung 
der hohen Verbündeten, wenn er diese Absicht auch nur 
denken wolle“. 
An der Bekämpfung des preußischen Planes beteiligten sich 
selbstverständlich alle anderen Staaten. Nur der Zar, der aller¬ 
dings das größte Interesse hatte, Preußen zufrieden zu stellen, 
unterstützte weiter die preußischen Ansprüche. Und als man 
sich endlich im allgemeinen dahin verständigte, Preußen solle 
die größere nördliche Hälfte und der König Friedrich August 
die mehr bevölkerte südliche haben, da stritt man sich doch 
noch lebhaft um eine Stadt, die allerdings sehr wichtig war, 
um Leipzig, das wegen seiner wirtschaftlichen Bedeutung Preußen 
nicht gegönnt wurde. Selbst England glaubte sich durch diesen 
Besitzwechsel in seinen Handelsinteressen geschädigt. Der Streit 
schien unlösbar. Endlich erklärte sich der Zar bereit, auf 1 horn 
zu verzichten, wenn Preußen Leipzig aufgebe Und das klang so 
hochherzig, daß Friedrich Wilhelm III., der für solche Gefühls¬ 
anregungen sehr empfänglich war, nun ebenfalls verzichtete. So 
konnten die weiteren Entschädigungen Preußens anderswo gesucht 
werden. Metternich entschied sich dabei für Rheinland-Westfalen, 
um den unbequemen Nebenbuhler durch die Nähe Frankreichs 
festzulegen oder, wie er sich ausdrückte, zu kompromittieren. 
Diese entlegenen katholischen Rheinländer an der französischen 
Grenze konnten augenscheinlich keine bequemen Untertanen des 
preußischen Herrschers werden. Preußen jedoch war auch mit 
dieser Abfindung zufrieden und beanspruchte nur zur Ver¬ 
bindung des Westens mit dem Osten den Göttinger Land¬ 
streifen, der als „Isthmus“ dienen sollte. Zugestanden wurde 
auch diese Forderung nicht. Das Einzige, was zu erreichen, war 
die Erlaubnis zur Benutzung zweier „Militärstraßen“. Der 
preußische Staat sollte also aus zwei Ländergruppen bestehen, 
die durch wenig freundliche Mittelstaaten voneinander getrennt 
wurden. Jede innere Einheit fehlte. Daß bei einem lebens¬ 
kräftigen Staatswesen diese Gestaltung die entgegengesetzte 
Wirkung haben mußte, als man in WTien es dachte, lag auf
	        
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