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von ihrem berauschenden Tranke gekostet, als daß er nicht ihre
Richtung und ihre Bestrebungen als krankhafte Erscheinungen
hätte meiden sollen. In einer Zeit, deren ganzes Trachten auf die
Befreiung von den Banden des Mittelalters, auf die Entfesselung
der Menschheit von der Zeit der Ueberlieferung, der Vorurtheile,
des Herkommens gerichtet mar, konnte ihm die Umkehr der
Kunst und Wissenschaft zu den Gebilden uud erträumten Idealen
einer überwundenen Vergangenheit nur als eiu Irrweg erscheinen.
Den Winter 1834—1835 verbrachte Weber in Italien,
wo er während eines fünfmonatlichen Aufenthaltes in Rom
Gelegenheit hatte, seine Studien über Kunst und Alterthum
an der besten Duelle zu erfrischen und zu beleben. Es würde
zu weit führen, wollten wir den einzelnen Spuren und Erleb¬
nissen Webers in jener Weltstadt fotgen, wo die Kunstgeschichte
ihren Brennpunkt und Sammelplatz hat, von wo ans das ge¬
schichtliche Leben Europas in verschiedenen Epochen seine Im¬
pulse erhielt, wo alle Jahrhunderte ihre Denkmale und Erinne¬
rungen gesetzt habe». Nirgends gewinnt man einen so klaren
und eindringlichen Begriff von dem geistigen Zusammenhang
aller Menschengeschichte, als in der ewigen Stadt, wo die Ge¬
schicke der Wett so ost gesponnen und geleitet wurden.
Italien lag damals wieder in seinem politischen Schlummer,
aus dem es sich einige Jahre zuvor vergeblich zu erheben ver¬
sucht; man lebte in Rom nur der Kunst, den Studien des
Alterthums und dem Genusse des südlichen Lebens; und nir¬
gends läßt sich die äußere sturmbewegte Welt leichter vergessen,
als in der Stadt des heiligen Petrus, die wie eine abgeschlos¬
sene Base ans der Mitte der öden Campagna mächtig empor¬
ragt. Es herrschte damals ein geistig bewegtes Leben in Rom.
Das Cafs greco in der Via Condotti war der Sammelplatz der
Künstler und Fremden, die dort in allen Zungen ihre Erleb¬
nisse mittheilten, ihre Erfahrungen unti Ideen austauschten.